Der Automaton Rover for Extreme Environments (AREE) soll praktisch unverwüstlich sein.
Illustr.: NASA/JPL-Caltech

Pasadena – So ähnlich die Venus der Erde bei flüchtiger Betrachtung erscheinen mag, so groß sind die tatsächlichen Unterschiede bei einem genaueren Blick unter die 20 Kilometer dicke Wolkenschicht: Der Luftdruck auf Bodenniveau entspricht dem 90-Fachen des irdischen Luftdrucks, die dichte Wolkendecke aus Schwefelsäuretröpfchen lässt nur zwei Prozent des Sonnenlichts durch, was der Venusoberfläche ewiges Zwielicht beschert, und der enorme Treibhauseffekt führt dort zu Temperaturen von über 450 Grad Celsius.

Kurzes Überleben in der Venus-Hölle

Kein Wunder also, dass die ersten Versuche in den 1960er-Jahren, mit Landern die Venusoberfläche zu erreichen, um Daten zu sammeln und zu senden, mehr oder minder zum Scheitern verurteilt waren: Unter den damals für die Forscher zunächst unerwartet höllischen Bedingungen stürzten die sowjetischen Venerasonden 3 bis 6 ab, wurden von der Atmosphäre zerquetscht oder fielen wegen Überhitzung aus.

Erst mit der massiv gebauten Sonde Venera 7 gelang 1970 erstmals eine erfolgreiche weiche Landung. Venera 9 sandte zwei Jahre später die ersten Bilder von der Venusoberfläche zur Erde. Weitere fünf sowjetische Venussonden überlebten ebenfalls die Landung, aber keine davon hielt den hohen Temperaturen und dem gewaltigen Luftdruck länger als eineinhalb Stunden stand.

Video: Nach Ansicht von Jonathan Sauder und Evan Hilgemann vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa könnte ein Venusrover auch ohne Elektronik funktionieren.
Jonathan Sauder

Die Erfahrungen aus diesen Missionen haben gezeigt, dass die meisten Komponenten durchaus widerstandsfähig genug konstruiert werden könnten. Der eigentliche Schwachpunkt bei einem Lander, der länger als nur einige Minuten Daten senden soll, ist die empfindliche Elektronik, die den harschen Bedingungen nichts entgegenzusetzen hat.

Mischung aus Panzer und Uhrwerk

Daher haben sich Nasa-Wissenschafter gedacht, es müsste eigentlich auch ohne Elektronik gehen: Die Techniker stellten nun das Konzept eines Venusrovers vor, der von außen einem frühen Panzer gleicht und über ein rein mechanisches Innenleben verfügt. Sowohl die Steuerung als auch die Datenübertragung basieren dabei auf Komponenten, für die analoge Uhrwerke und Rechner aus der Zeit vor der Erfindung des Mikrochips Pate gestanden haben.

Vorbild für den Venusrover sind die frühen Panzer des Ersten Weltkriegs.
Illustr.: NASA/JPL-Caltech

Der Automaton Rover for Extreme Environments (AREE) des Teams um Jonathan Sauder und Evan Hilgemann vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der Nasa in Pasadena, Kalifornien, bezieht seine Energie von zentral gelagerten Windturbinen, die ein System aus Räderwerken und Hebeln antreiben sollen. "Die Venus ist zu unwirtlich für komplexe Kontrollsysteme, wie sie bei Marsrovern eingesetzt werden", erklärt Sauder. "Ein vollmechanischer Rover dagegen könnte auf der Venus ein Jahr oder länger funktionstüchtig bleiben."

Video: Auch die Strandbeest-Konstruktionen des niederländischen Künstlers inspirierten die Nasa-Ingenieure.
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Per Windkraft angetrieben

Inspiriert wurde AREE unter anderem auch von den "Strandbeests" des niederländischen Künstlers Theo Jansen. Diese mechanischen Strukturen, die teilweise wie Spinnen, Insekten oder Hundertfüßer wirken, bewegen sich allein durch die Kraft des Windes vorwärts. Für das felsige Terrain der Venusoberfläche wären diese Konstruktionen freilich zu fragil, daher nahmen sich Sauder und Hilgemann die Panzer aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zum Vorbild für den äußeren Rahmen ihres Venusrovers.

Für die Kommunikation mit einer Orbitalsonde erdachten die Forscher ein System aus drehbaren Scheiben mit Lücken, die vom Radar besonders gut erfassbare Strukturen in unterschiedlichem Ausmaß bedecken.
Illustr.: NASA/JPL-Caltech

Kommunikation per Morsecode

Wie die mechanische Sammlung von Daten aussehen könnte, ließen die Ingenieure zwar offen, doch was die Kommunikation betrifft, haben sie eine Lösung gefunden, die ebenfalls ganz ohne Elektronik auskommt: Ein Bauteil, das von einer Venussonde per Radar aus dem Orbit erfasst werden kann, soll Daten mithilfe von Morsezeichen übermitteln – so ähnlich wie Schiffe, die über große Distanzen via Lichtsignale kommunizieren.

Das Projekt, das im Rahmen des Innovative-Advanced-Concepts-Programms der Nasa finanziert wird, befindet sich derzeit bereits in der Phase II. Dabei wählt das JPL-Team einzelne Elemente des AREE-Konzeptes aus, um sie weiterzuentwickeln und Prototypen zu erstellen. Die Wissenschafter hoffen, dass dies alles in eine Version müdet, die eines Tages tatsächlich über die Venusoberfläche rollen wird. (tberg, 3.9.2017)