Am Mittwoch wurde beim Forum Alpbach unter anderem über das Grundeinkommen diskutiert.

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Alpbach – Wäre es eine bessere Welt, wenn jeder Mensch 1.000 Euro im Monat vom Staat bekommen würde? Die Arbeiterkammer lud am Mittwoch beim Forum Alpbach zu einer Diskussion über einen radikalen Systemwechsel: das bedingungslose Grundeinkommen. Die zehn zentralen Argumente der zweistündigen Veranstaltung:

  1. Es könnte die Gleichstellung erschweren. Wenn jeder beispielsweise 1.000 Euro erhält, könnten viele Frauen wieder zu Hause bleiben, sagte Judith Derndorfer von der Wiener Wirtschaftsuni. Männer würden das wahrscheinlich nicht machen. "Wir könnten wieder in die alten Rollenbilder zurückfallen." Wo es helfen würde: Frauen, die sich nicht selbst erhalten können, wären plötzlich unabhängig.

  2. Ein Spaltpilz für die Gesellschaft? Schon jetzt haben wir in Österreich alle paar Jahre eine Sozialschmarotzer-Debatte, merkte Derndorfer an. Wenn aber auf einmal viele Menschen nicht mehr arbeiten gehen und vom Staat leben, könnte das diesen Konflikt weiter verschärfen.

  3. Die Ungleichheit würde steigen. Einige Liberale setzen sich für ein Grundeinkommen ein. Damit soll der bürokratische Aufwand des Sozialstaats verringert werden – jeder bekommt einfach dasselbe. Ersetzt es aber alle anderen Sozialleistungen – von denen ärmere Menschen stärker profitieren –, geht die Schere zwischen Arm und Reich weiter auf. Für unseren Sozialstaat geben wir zwei bis drei Prozent der Ausgaben für Verwaltung aus, sagt Josef Wöss von der Arbeiterkammer, "bei einer Lebensversicherung reden wir von zehn Prozent".

  4. Woher soll das Geld kommen? Wenn jeder im Land 800 Euro bekommt und wir das Grundeinkommen zusätzlich zu den jetzigen Sozialleistungen auszahlen, blähen wir den Staat auf über 70 Prozent der Wirtschaftsleistung auf, meinte Monika Köppl-Turyna von der Agenda Austria. Die Ökonomin hat das ausgerechnet. Derzeit liegt die Staatsquote, also der Anteil der Staatsausgaben an der Wirtschaftsleistung, 20 Prozentpunkte darunter.

  5. Der Kuchen könnte schrumpfen. Die Berechnung der Agenda nimmt an, dass mit einem Grundeinkommen gleich viel zu verteilen wäre. Die Wirtschaftsleistung könnte aber auch schrumpfen. Heute arbeiten die Leute unter anderem, um für die Pension vorzusorgen. Ihre Beiträge gehen an die, die mit der Rente leben. Wenn jetzt aber weniger Leute arbeiten, gibt es auch weniger Geld für die, die von den anderen leben, merkte Wöss an.

  6. Es ist völlig unklar, wie wir reagieren. Was macht ein Mensch, wenn man ihm jeden Monat 1.000 Euro gibt? Hört er auf zu arbeiten? Sucht er sich einen anderen, besseren Job? Es gibt zwar Studien zu Lottogewinnern, die trotz des vielen Geldes lediglich ein paar Stunden weniger arbeiten und weiterhin Jobs haben. Daraus lernen wir aber wenig, wie ein Gast bemerkte. Denn wenn einer allein das Geld bekomme, sei das etwas anderes, als wenn alle seine Bekannten ebenfalls eine Leistung erhielten. Vielleicht würde er dann eher aufhören zu arbeiten?

  7. Akzeptanz zu finden wäre schwierig. Wie soll man die Menschen davon überzeugen, dass es fair ist, wenn alle gleich viel Geld bekommen, fragte Josef Wöss von der Arbeiterkammer, "egal ob reich oder arm, ob krank oder gesund". Auch für Besserverdiener wäre der Anreiz gering. "Sie bekommen 1.000 Euro Grundeinkommen und müssen es vielleicht mit 5.000 Euro mehr an Steuern finanzieren."

  8. Es gibt keinen Grund zur Panik. Ein Grund, warum das Grundeinkommen so populär geworden ist: Wir haben Angst vor den Robotern, die uns die Jobs wegnehmen. Aber es gibt heute im Vergleich zur Zeit vor 15 Jahren 300.000 mehr Jobs für Frauen und 100.000 mehr für Männer, rechnete Josef Wöss vor. Keiner wisse, was in der Zukunft passiere, aber wenig deute darauf hin, dass uns die Arbeit ausgeht.

  9. Jobs könnten neu bewertet werden. Wenn niemand mehr arbeiten gehen muss, weil er das Geld auch so hat, wer macht dann die schmutzigen Jobs? Wer geht zur Müllabfuhr? Das war eine Frage aus dem Publikum, auf die eine Sozioökonomie-Studentin so antwortete: Für schöne, kreative Jobs, die die Leute sowieso machen wollen, würde man weniger bezahlt bekommen. Die harten, unbeliebten Jobs würden plötzlich blendend bezahlt. Es würde genug Leute geben, die für das Geld die Mühe in Kauf nähmen.

  10. Was war unsere Leistung? Man kann das Grundeinkommen als eine Art "Gesellschaftsdividende" sehen, sagte Margit Appel von der Katholischen Sozialakademie. "Was von dem, was wir machen, fußt wirklich auf unserer Leistung?", stellte sie in den Raum. Fast alles, was wir wissen, hätten wir von der Gesellschaft, von unserer Familie und unserer Bildung, so Appel. Sie war die Einzige am Podium, die für ein Grundeinkommen war. (Andreas Sator, 31.8.2017)