Die Architektin Ulla Unzeitig ist Co-Organisatorin des Architektur-Events "Open House ", das kommendes Wochenende in Wien stattfindet. Auch die Türen zu ihrer Wohnung im 16. Bezirk stehen stets offen, sagt sie.

"Unsere Wohnung ist in den letzten Jahren sukzessive gewachsen. Als ich mit meinem Mann und unseren zwei Kindern vor sechs Jahren in diese Dachgeschoßwohnung in Ottakring zog, wohnten wir zuerst auf 75 m². Mit der Zeit wuchs unser Platzbedarf. Vor zwei Jahren haben wir also mit dem Ausbau des benachbarten Rohdachbodens begonnen. Da, wo jetzt der Esstisch steht, haben wir einfach die Wand abgebrochen. Wobei "einfach" es nicht ganz trifft.

"Ich glaube ja, mit einer Wohnung ist man nie ganz fertig. Den gänzlichen Stillstand gibt es nicht." Architektin Ulla Unzeitig im Wohnbereich ihres Zuhauses im 16. Bezirk.
Foto: Lisi Specht

Einen solchen Umbau tut man sich wohl nur an, wenn man einen gewissen Berufsschaden hat. Und in einer Beziehung müssen beide Partner gleich verrückt sein. Aber wenn man günstig wohnen will, dann muss man in Wien entweder erben, einen Riesenkredit aufnehmen – oder man krempelt selbst die Ärmel hoch. Mittlerweile sind wir beim Feinschliff angelangt: Zuletzt haben wir die Türen und die Fensterbretter gemacht. Lampen fehlen noch, und die Werkstatt meines Mannes ums Eck wird noch zu einem Arbeitszimmer. Auch unser Esstisch ist noch eine sehr temporäre Lösung aus Sparrenaufdoppelungen, die übrig geblieben sind. Mir gefällt das. Ich glaube, mit einer Wohnung ist man nie ganz fertig. Den gänzlichen Stillstand gibt es nicht.

Alle unsere Möbel erzählen Geschichten. Irgendwer sagt immer: 'Ich werfe dieses Möbelstück weg – oder wollt ihr es?' Ich glaube, so lässt sich das Konzept hinter unseren Möbeln gut zusammenfassen. Manche Stücke wandern aber dann von uns wieder zurück zu den ursprünglichen Besitzern: Die Nähmaschine hier ist von der Großmutter eines Bekannten. Die wird aber vielleicht irgendwann wieder zurück an seine Familie gehen, wenn sie dort jemand haben will. So wie ein Puppenwagen aus den 1950er-Jahren, den wir erst restauriert und dann, Jahre später, wieder zurückgegeben haben. Die Möbelstücke aus dem Haus meines Großvaters stehen dafür im Burgenland, wo ich sie jederzeit besuchen kann.

Fotos: Lisi Specht

Mein Mann und ich restaurieren immer gemeinsam. Das ist für uns aber mehr eine Pflicht als ein Hobby. Man kann die Dinge ja nicht so lassen, wie sie sind. Unser aktuelles Projekt steht hier im Esszimmer: Es ist ein alter Spind aus dem Zweiten Weltkrieg. Ich glaube, das war der erste Ikea-Schrank, den es je gab. Er ist von einer Freundin, die ihn wegwerfen wollte.

Wir wollten immer groß wohnen, um Leute einladen zu können. Darum ist bei uns eigentlich immer "Open House". Es ist nämlich ganz selten, dass an einem Tag niemand zu Besuch ist. Auch die Nachbarskinder gehen hier ein und aus. Wir haben derzeit auch noch keine Vorhänge. Mal schauen, ob das so bleibt. Im Grunde ist es mir egal, ob mir die Leute zuschauen oder nicht.

Fotos: Lisi Specht

Früher träumten mein Mann und ich überhaupt von gemeinschaftlichem Wohnen. Wir fuhren sogar nach Deutschland, um uns ein Projekt anzuschauen. Aber irgendwann sind wir dann draufgekommen, dass wir ja eh schon eine tolle Nachbarschaft haben und wir das Rad nicht neu erfinden müssen. Unsere Wohnhausanlage hat riesige Hinterhöfe, wo man miteinander Feste feiern und ich ein bisschen garteln kann. Ich pflanze Blumen und Beeren an, sehe von den Beeren am Ende aber nie etwas, weil die Kinder sie alle aufessen. Im Hof kann man Kinder sogar unbeaufsichtigt Rad fahren lassen. Das gibt es ja sonst nirgends mitten in der Stadt!

Ich will beim Wohnen so wenige Ressourcen wie möglich verwenden. Wir wohnen bewusst sehr dicht – und nicht auf dem Land mit zwei Autos. Den Traum vom Wohnen auf dem Land kann man sich ja im Urlaub verwirklichen. Aber ich glaube, langfristig wäre mir das zu einsam. Einzig ein Balkon wäre noch super, aber den haben wir halt nicht. Daher gilt: Alle runter in den Hof!" (Franziska Zoidl, 4.9.2017)