Radikaler Gegenpol zur Aufgeregtheit: Willi Dorner positionierte im MQ seinen vor 17 Jahren uraufgeführten "Homo ad Quadratum" neu.

Foto: Lisa Rastl

Wien – Der freien Wiener Tanzszene steht ein rauer Herbst bevor: Das Tanzquartier eröffnet seine Saison nach Intendanzwechsel und Umbau erst am 25. Jänner, die Performanceabteilung des Wuk ruht bis zum November, und das Brut-Theater hat ein nomadisches Jahr außerhalb seiner in Renovierung befindlichen Heimstatt Künstlerhaus vor sich. Eine engagierte und Künstler wertschätzende Kulturpolitik sieht anders aus.

Bis auf weiteres muss sich das Publikum also mit Einzelinitiativen oder halbgaren Kuratierungen begnügen. Darunter aber können sich durchaus auch Glanzstücke befinden. Eine erste Kostprobe gab das Museumsquartier (MQ) in seinem ausklingenden "Summer of Movement" als Einleitung der Reihe "Act – Performance & Vermittlung" mit Willi Dorners Solowerk "Homo ad Quadratum".

Diese Arbeit war gerade, in leider nur zwei Abenden, an jeweils vier verschiedenen Open-Air-Orten des MQ zu sehen. Willi Dorner nutzte die Gelegenheit, sein vor 17 Jahren beim Festival tanz2000.at uraufgeführtes, damals so genanntes "Stick Solo" neu zu positionieren.

Zuschauer mit Langzeitgedächtnis erinnern sich noch an den präzisen Auftritt der Tänzerin Helga Guszner in diesem Stück, das wie eine späte, aber souverän nüchterne Antwort auf Trisha Browns verspieltes Septett "Sticks" (1973) wirkt. Diese Arbeit der kürzlich verstorbenen Amerikanerin wurde vom Tanzquartier zu Beginn der Vorsaison – ebenfalls unter freiem Himmel im MQ-Haupthof – gezeigt.

Brown hatte in ihren frühen Jahren mehrere Werke für, wie es nun heißt, "den Stadtraum" geschaffen, und Dorner hat sich in einer ganzen Werklinie auf die Untersuchung von "bodies in urban spaces" spezialisiert – zum Teil mit Bezug auf die "Plank Pieces" (1973) des US-Künstlers Charles Ray.

Figur und Architektur

Anstelle der ursprünglichen Solistin Guszner trat nun Esther Steinkogler wesentlich cooler als "Homo ad Quadratum" auf, in Anspielung auf Leonardo da Vincis berühmte vitruvianische Figur, deren Idealmaße in Quadrat- und Kreisformen eingepasst worden waren. In einer gelassenen, minimalistischen Choreografie setzte Dorner diese Figur in Bezug zur Architektur des MQ.

Die Orte waren bewusst gewählt. Die Tänzerin brachte die Dynamik ihrer Präsenz unter Verwendung einer Holzlatte in doppelter Länge ihres Körpers jeweils eine Viertelstunde lang ins Spiel: etwa im Getriebe des MQ-Haupthofs oder auf einer verborgenen Terrasse der Kunsthalle.

Als Gegenpol zur spektakulären Aufgeregtheit des Gegenwartstanzes wirkt dieses Solo heute noch um einiges radikaler als zur Blütezeit des choreografischen Konzeptualismus im Jahr 2000. Der "Summer of Movement" geht weiter mit unter anderen der peppigen Silk Cie., dem Theater Foxfire und den Hungry Sharks. (Helmut Ploebst, 31.8.2017)