Das Skelett aus der Chan-Hol-Höhle bei Tulúm dürfte mindestens 13.000 Jahre alt sein.

Foto: Tom Poole/Liquid Junge Lab

Heidelberg – Forscher haben ein menschliches Skelett aus einer Unterwasserhöhle in Mexiko auf ungewöhnliche Art datiert: Das deutsch-mexikanische Team nahm einen Tropfstein genauer unter die Lupe, der auf einem Hüftknochen gewachsen war. Daraus ließ sich eruieren, dass die Knochen mindestens 13.000 Jahre alt sind und aus einer Kaltperiode am Ende der letzten Eiszeit stammt.

"Die vor fünf Jahren aufgefundenen Knochen aus der Chan-Hol-Höhle bei Tulúm stellen damit einen der ältesten Knochenfunde eines Menschen auf dem amerikanischen Kontinent dar und belegen eine unerwartet frühe Besiedelung Südmexikos", sagte Wolfgang Stinnesbeck von der Universität Heidelberg, Erstautor der Studie in "Plos One".

Seltene Funde

Die Besiedelung des amerikanischen Kontinentes ist ein kontrovers diskutiertes Forschungsthema. Eine lange Zeit vorherrschende Hypothese ging davon aus, dass eine erste Migration vor 12.600 Jahren durch einen eisfreien Korridor zwischen den schwindenden nordamerikanischen Gletschern über die eiszeitliche Bering-Landbrücke zwischen Sibirien und Alaska stattgefunden hat. Diese Theorie wird durch neue Funde aus Nord- und Südamerika zunehmend in Frage gestellt: Sie deuten auf eine frühere Ankunft des Menschen hin.

Allerdings handelt es sich bei diesen Funden zumeist um Artefakte oder Feuerstellen, deren Alter anhand der enthaltenen Sedimente datiert wurde. Knochenfunde von Menschen, die ein Alter von mehr als 10.000 Jahren aufweisen, sind auf dem amerikanischen Kontinent bisher selten. Die Höhlen bei Tulúm auf Yucatán seien ein reiches Fundgebiet, so Stinnesbeck. Bereits sieben prähistorische Menschenskelette konnten in dem küstennahen verzweigten Höhlensystem im östlichen Teil der Insel dokumentiert werden.

Nützlicher Stalagmit

Die Höhlen entlang der Karibikküste wurden erst beim weltweiten Anstieg des Meeresspiegels nach der Eiszeit geflutet. Die dort verborgenen archäologischen, paläontologischen und klimatischen Informationen aus der Zeit vor der Überflutung sind Stinnesbeck zufolge hervorragend konserviert. Die genaue Datierung der Knochen durch konventionelle Radiokarbondatierungen war allerdings schwierig, weil das in den Knochen enthaltene organische Kollagen durch die lange Verweildauer im Wasser vollständig ausgewaschen worden war.

Stinnesbeck und Kollegen wählten daher einen anderen Weg zur Altersbestimmung: Über die Datierung eines Tropfsteins, der auf dem Hüftknochen gewachsen war. Die Analyse der Uranium-Thorium-Isotopen ergab ein Mindestalter des Skelettes von 11.300 Jahren. Ein deutlich höheres Alter zeigen jedoch die im Tropfstein gespeicherten Klima- und Niederschlagsdaten. Sie sind im Verhältnis der Sauerstoff- und Kohlenstoffisotopen messbar und wurden mit den Daten aus anderen Teilen der Erde verglichen.

Mit einem Alter von mindestens 13.000 Jahren stamme der Chan-Hol-Mensch vermutlich aus der jüngeren Dryaszeit, so Stinnesbeck: "Es handelt sich damit um eines der ältesten menschlichen Skelette aus Amerika. Unsere Daten unterstreichen die große Bedeutung der Höhlenfunde von Tulúm für die Debatte um die Besiedelung des Kontinents." (red, 31.8.207)