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Im Dezember 2016, kurz nach der Präsidentschaftswahl, rissen Gambier die Bilder des ehemaligen Staatschefs Jammeh von den Plakatflächen. Heute geht es darum, die Vergangenheit aufzuarbeiten.

Foto: REUTERS/Thierry Gouegnon

Ramzia Diab Ghanim hat im Moment kaum eine freie Minute, bereitet sie doch ihre Abreise nach Asien vor. In Malaysia wird sie künftig als Botschafterin Gambia vertreten. Der spektakuläre Machtwechsel im Dezember 2016 hat es möglich gemacht. Dauerherrscher Yahya Jammeh verlor unerwartet die Präsidentschaftswahl und verließ nach langem Zögern und einem überraschend deutlichen Auftreten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas das Land in Richtung Äquatorialguinea.

Ohne die Wahl von Adama Barrow zum neuen Staatschef wäre die Ernennung von Ramzia Diab Ghanim nie möglich gewesen. Sie gehört der Opposition an und war bei der Wahl selbst nicht einmal im Land, weil dies als zu gefährlich galt. Schon zehn Jahre zuvor war sie verhaftet worden, da sie angeblich über einen Staatsstreich gegen Jammeh informiert gewesen sei. "Vermutlich wurde mein Name genannt, weil ein Freund der Familie ebenfalls beschuldigt wurde."

Es folgten sieben Wochen Haft und Folter. Bis heute weiß sie nicht, wer ihr die Wunden zugefügt hat. "Alle waren in Schwarz gekleidet und trugen Masken." Es ist eine Erfahrung, die sie nicht loslässt. Bis zur Ausreise nach Malaysia arbeitet sie deshalb für das gambische Zentrum für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen.

Aufarbeitung der Gewalt

Wer wie sie Gewalt durch die ehemalige Regierung erfahren hat, kann herkommen und einen Fragebogen ausfüllen. Auch das Justizministerium sammelt Daten. "Wir können bisher aber nicht sagen, wie viele Menschen betroffen sind", sagt Justizminister Abubacarr Tambadou. Zu den Opfern gehören Menschen, die bedroht, gefoltert und ermordet wurden.

Die Aufarbeitung der Jammeh-Herrschaft ist eines der wichtigsten Projekte. Menschen wie Diab Ghanim macht es Hoffnung auf einen Neuanfang. Andere haben diese Hoffnung schon längst wieder aufgegeben: Nach mehr als zwei Jahrzehnten Dauerherrschaft ist die Ungeduld groß, und Ergebnisse werden sofort eingefordert.

Doch die neue Kommission für Wahrheit, Versöhnung und Entschädigung hat auch noch etwas anderes geplant: "Reparationszahlungen sind ein wichtiger Bestandteil. Dann können wir zum Beispiel Kindern, deren Eltern ermordet wurden, Bildungsstipendien zahlen", erklärt der Justizminister.

An der Universität von Gambia nennt auch Politikwissenschafter Essa Njie die Initiative richtig. "Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, wie wir solche Fehler künftig vermeiden." Am wichtigsten ist dabei für ihn, Politikern nicht mehr blind zu vertrauen. "Niemand dachte anfangs, dass aus Jammeh ein Diktator wird. Er hat selbst gesagt, dass eine Herrschaft, die über zehn Jahre geht, zu viel für ein Drittweltland sind." Mit Sorge beobachtet er deshalb einen aktuellen Trend: "Viele Menschen halten Barrow für perfekt."

Der 52-jährige Barrow arbeitete lange als Wachmann in England. Später gründete er eine Immobilienfirma. Politische Erfahrung haben er und viele seiner Minister jedoch kaum. Dazu kommt, dass Jammeh, so sagte es Barrow im Februar, einen Staat hinterlassen hat, der "im Grunde bankrott" ist. Gambia, wo gut zwei Millionen Menschen leben, setzte in den vergangenen Jahren hauptsächlich auf Tourismus. Gerade im vergangenen Jahr, so beklagen die Hotel- und Pensionsbetreiber in den Ferienorten rund um die Hauptstadt Banjul, seien viele Gäste weggeblieben.

Flucht nach Europa

Im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen liegt Gambia auf Platz 173 von 188. Aus keinem anderen Land Westafrikas ist die Abwanderung über das Mittelmeer nach Europa prozentual gesehen so hoch. Alleine in diesem Jahr überquerten es knapp 5700 Menschen. Zum Vergleich: Es wurden 14.120 Nigerianer gezählt, Nigeria hat allerdings 185 Millionen Einwohner.

Die fehlenden Ressourcen, so wird befürchtet, könnten nun die Entwicklung und die Aufarbeitung der Vergangenheit ausbremsen. In Banjul will Ramzia Diab Ghanim dennoch optimistisch bleiben. "Mir ist klar, dass wir bisher nicht alle Mittel haben. Aber es ist das wichtigste Projekt unseres Präsidenten." Sie hofft deshalb auf internationale Gelder: "Wenn man sieht, wie ernst es uns ist, dann wird man uns auch unterstützen." (Katrin Gänsler aus Banjul, 2.9.2017)