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Nur wenige Inder besitzen ein Auto. Mietwagen sind daher im Schwellenland ein wichtiges Transportmittel.

Foto: EPA/Harish Tyagi

In Wien ein Uber zu rufen ist einfach: App öffnen, Wagen bestellen, wenig später ist er da, Navigation und Bezahlung folgen automatisch. In Indien läuft das anders.

Schon beim Öffnen der Uber-App kann es erste Schwierigkeiten geben: Das Handynetz ist mitunter langsam und lückenhaft. Manchmal kommt der gerufene Fahrer einfach nicht. Ein Uber-Mitarbeiter nennt das in der "New York Times" ein "kulturelles Mysterium", das so nur in Indien vorkomme. Mögliche Gründe dafür gibt es viele.

Lesen als Hürde

Viele Uber-Fahrer in Asiens drittgrößter Volkswirtschaft sind Analphabeten, wissen nicht, wie man eine Stadtkarte liest, geschweige denn die Uber-App richtig bedient. Und auch die App selbst hat es nicht leicht bei der Navigation. Im chaotischen Straßensystem Indiens ist es nicht ungewöhnlich, dass lokale Behörden oder einfache Bewohner eine Straße kurzerhand selbst umleiten, um den Verkehr flüssiger zu machen. Das steht dann natürlich nicht in den Karten.

Weiters haben viele Fahrer vor ihrem Uber-Job noch nie Bezahlungen gehandhabt oder mit Kunden der aufstrebenden Mittelklasse, der Hauptzielgruppe Ubers, interagiert. Oft sprechen Kunde und Fahrer nicht einmal dieselbe Sprache – über 100 gibt es im Land.

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Hauptzielgruppe für Uber ist die aufstrebende Mittelklasse Indiens.
Foto: AP/Surabh Das

Der US-Fahrdienstanbieter Uber, aktuell mit 70 Milliarden Dollar bewertet, startete 2013 in Indien. Mittlerweile nutzen rund acht Millionen Inder den Service regelmäßig. Knapp 200.000 Uber-Fahrer in 29 indischen Städten haben in den letzten vier Jahren mehr als 500 Millionen Fahrten absolviert.

Uber versus Ola

Uber ist jedoch nicht der stärkste Player am Markt: Der lokale Anbieter Ola ist bereits seit 2010 am Markt, verzeichnet laut einem Branchenkenner doppelt so viele Fahrten und ist in weitaus mehr Städten tätig. Ola gehört dem japanischen Telekommunikationskonzern Softbank.

Die Nutzerzahlen Indiens wirken auf den ersten Blick hoch – aber nur bis man sie mit den 400 Millionen Indern vergleicht, die in urbanen Räumen leben und für den Service infrage kommen. Aufgrund dieses enormen Potenzials hat Uber Indien als zweitwichtigsten Markt hinter dem amerikanischen auserkoren und versucht das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Ola für sich zu entscheiden. Immerhin könnte Indien in Zukunft zum wichtigsten Transportmarkt der Welt werden.

Hinzu kommt auch, das Uber in China gescheitert ist: 2016 zog man sich nach milliardenschweren Investments zurück und verkaufte die chinesische Tochter an die Konkurrenz. In Indien machte Uber im Vorjahr noch 2,8 Milliarden Dollar Verlust, aber die Wachstumszahlen sind beeindruckend: Die Zahl der Uber-Fahrten ist im Juli 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 115 Prozent gewachsen. Damit Uber mit den Herausforderungen auf dem indischen Markt klarkommt, musste es seinen Service jedoch deutlich adaptieren.

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Der ehemalige Uber-CEO Travis Kalanick in Indien.
Foto: AP/Mahesh Kumar

In den USA beispielsweise verwenden die meisten Uber-Fahrer ihren privaten Pkw und chauffieren Kunden nur nebenberuflich, um sich etwas dazuzuverdienen. Die meisten Inder besitzen jedoch kein eigenes Auto. Zudem sind eine behördliche Fahrerlaubnis und eine Registrierung des Wagens notwendig. Viele Fahrer in Indien sind deswegen für größere Taxiunternehmen als Angestellte tätig – anders als in Amerika, wo die Uber-Fahrer als Selbstständige in der "Gig Economy" agieren.

Zuckerl für die Fahrer

Dieses System will Uber auch in Indien ausbauen. Mit Banken und Autoproduzenten hat man eigene Deals mit speziellen Konditionen für Uber-Fahrer, die ein Fahrzeug brauchen. Kritiker sagen, dass die Kreditfähigkeit der Fahrer für ein Leasing kaum eine Rolle spiele. Uber gehe es nur darum, so viele Fahrer und Autos wie möglich auf Indiens Straßen zu haben.

Weiters gibt es Bonuszahlungen für die Fahrer und eigene Kurse, die den Weg in die Selbstständigkeit erleichtern sollen. Alles in der Hoffnung, Konkurrent Ola auszustechen. Doch auch die Rabatte und Anreize haben ein Ablaufdatum, schließlich will Uber langfristig profitabel sein. Diese wurden im ersten Quartal 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gestrichen, wie die Consulting-Firma Redseer berichtete. Darum kommt es immer wieder zu Protesten der Uber-Fahrer.

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Foto: Reuters/Anindito Mukherjee

Bei aller Kritik an den Ride-Sharing-Diensten, die Indiens Transportsystem drastisch ändern: Uber hat viele Fahrer aus der Armut geholt. Sie verdienen umgerechnet zwischen 400 und 900 Euro im Monat – das ist weit mehr als das indische Durchschnittseinkommen und auch weit mehr als das, was herkömmliche indische Chaffeurdienste zahlen.

Für die Kunden bedeutet Uber in Indien eine neue, billigere Form der Fortbewegung in Städten. Mittlerweile wurde auch die Sicherheit für weibliche Fahrgäste verbessert: Nach mehreren Vergewaltigungen in Uber-Taxis führte man in Indien – als erstem Land überhaupt – einen sogenannten Panikknopf ein. Er hat eine Tracking-Funktion und kann sofort die lokale Polizei verständigen. Es gibt noch weitere Features, die es nur in Indien gibt.

Bezahlung mit Bargeld

Da wäre etwa die "Dial an Uber"-Funktion für die vielen Inder ohne Smartphone. Ein Anruf bei einer Hotline reicht, um ein Uber zu ordern. Auch das klassische, auf Kreditkarten basierende Uber-System, stellte man 2015 mit Indien als erstem Land auf Bargeld um. Die Nutzerzahlen stiegen in der Folge rasant. 80 Prozent der Uber-Fahrten in Indien werden bar bezahlt.

Denn auch wenn die indische Regierung mobiles Bezahlen mit dem Handy– ähnlich wie in China – forcieren will, ist Bargeld in Indien immer noch das Hauptzahlungsmittel. Mittlerweile akzeptiert Uber auch in Lateinamerika und anderen asiatischen Ländern Bargeld. Doch trotz all der Anpassungen auf den lokalen Markt kommen in Indien weitere Probleme auf Uber zu.

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Uber ist mit seiner App seit 2013 in Indien aktiv.
Foto: EPA/HARISH TYAGI

Das Thema Transport wird in Indien eigentlich von den 29 einzelnen Bundesstaaten geregelt. Jetzt versucht die indische Regierung, die oft komplizierten Gesetze landesweit anzugleichen. Außerdem soll eine staatliche Taxi-App für ganz Indien kommen.

Der indische Transportminister Nitin Gadkari sagte Ende Juli der indischen Zeitung "Economic Times": "Wieso sollen Uber und Ola ein Monopol in Indien haben?" Die App soll Kunden landesweit erlauben, Rikschas oder Zweirad-Taxis zu holen. Sie solle auch Kleinunternehmern eine Chance geben, vom Boom der Ride-Sharing-Anbieter in Indien zu profitieren, so Gadkari. Längerfristig hat Uber jedoch größere Ziele, als Konkurrenten wie Ola oder die indische Regierung auszustechen.

Vergleichsweise wenige Inder besitzen bisher ein eigenes Auto. Uber will daher das westliche Konzept, ein eigenes Auto zu besitzen, in Indien komplett überspringen und Indien zu einer Gesellschaft von reinen Uber-Kunden zu machen.

Das könnte jedoch schwerer werden, als Uber denkt, wenn man einer Studie der Schweizer Bank UBS von Anfang 2017 glaubt. In Indien seien die Kosten von Uber und Co in etwa gleich hoch wie die eines Autobesitzers. Und dann wäre da noch der soziale Status, der damit einhergeht. (Felix Diewald, 4.9.2017)