Goslar/Ankara – Nach der Festnahme von zwei weiteren Deutschen in der Türkei will der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel auch andere EU-Staaten dazu bewegen, den Druck auf Ankara zu erhöhen. Deutschland habe Reisehinweise verschärft und Wirtschaftshilfen reduziert, sagte der SPD-Politiker am in Goslar. "Wir werden in Europa mit anderen reden, dass sie das Gleiche tun."

Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nannte Gabriel zwar "weitgehend eine Farce", schloss sich den Forderungen nach einem Abbruch aber nicht an. Stattdessen gab er Erdogan die Schuld an der Entfremdung zwischen beiden Seiten. "Er versucht ja, seinen Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck zu vermitteln, wir als Deutsche und Europäer würden uns von der Türkei entfernen. In Wahrheit entfernt er die Türkei in rasender Geschwindigkeit von Europa", sagte der Vizekanzler. "Er will seine innenpolitischen Konflikte überdecken, indem er sich einen äußeren Feind sucht – und das sind wir: Europa, gerne die Deutschen."

Nach der Festnahme zweier weiterer Deutscher aus politischen Gründen im Urlaubsort Antalya fordern CSU und Linke einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen. Dafür ist aber ein einstimmiger Beschluss der EU notwendig.

Türkische Regierung beklagt deutschen "Populismus" in EU-Debatte

Die türkische Führung warf deutschen Politikern Populismus im Umgang mit den EU-Türkei-Beitrittsgesprächen vor. "Wir hoffen, dass diese problematische Atmosphäre enden wird, die die türkisch-deutschen Beziehungen zum Opfer eines engen politischen Horizonts gemacht hat", twitterte der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, am Montag. Er fügte hinzu, dass er auf verbesserte Beziehungen zu Deutschland hoffe.

Der Vorwurf folgte auf die Ankündigungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im TV-Duell, dass sie die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden wollen. Das Verhalten der Türkei lasse keine andere Wahl, obwohl er sich lange für den EU-Beitritt ausgesprochen habe, hatte SPD-Chef Schulz beim TV-Duell mit Merkel am Sonntagabend gesagt. "Die Türkei entfernt sich in einem atemberaubenden Tempo von allen demokratischen Gepflogenheiten", betonte Merkel. "Wir sind einig: keine Vorbeitrittshilfen. Und die Tatsache, dass die Türkei nicht Mitglied der EU werden soll, das ist auch klar", fügte die Kanzlerin hinzu. (APA, Reuters, 4.9.2017)