Ob die gewaltige unterirdische Explosion in Nordkorea tatsächlich eine Wasserstoffbombe war oder nicht, eines ist seit Sonntag klar: Donald Trumps Politik der verbalen Abschreckung gegenüber Kim Jong-un ist wirkungslos. Der junge Diktator lässt sich durch Drohungen mit "Feuer und Zorn" und militärischen Optionen nicht einschüchtern, sondern steigt bei seinem Rüstungsprogramm noch aufs Gas. Das liegt auch daran, dass die USA über keine glaubwürdigen militärischen Druckmittel verfügen. Dazu ist die südkoreanische Millionenmetropole Seoul der nahen nordkoreanischen Artillerie viel zu sehr ausgeliefert.

Dass Trump nach dem jüngsten und bisher gewaltigsten Atomtest Kim unverdrossen weiterdroht, legt bloß die Schwäche der amerikanischen Position offen. Dass die USA in Ostasien, der derzeit gefährdetsten Weltregion, als zahnloser Papiertiger erscheinen, ist mindestens so riskant wie jede neuerliche Provokation Nordkoreas.

Doch ganz machtlos ist die Supermacht nicht. Wenn Trump auf seine strategischen Berater hören würde, statt frühmorgens auf Twitter zu dilettieren, dann würde er im Lehrbuch des Kalten Kriegs das Kapitel der Abschreckung überspringen und jenes über Containment – Eindämmung – aufschlagen. Das war das amerikanische Erfolgsrezept gegen die Sowjetunion.

Kim verfügt zwar nun über ein Atomwaffenarsenal, mit dem er das Überleben seines Regimes absichern kann. Aber international ist er völlig isoliert. Der jüngste Nukleartest war auch ein Schlag gegen seinen einzigen Verbündeten China, der sich auf der Brics-Konferenz in Xiamen gerade als globale Führungsmacht präsentieren will. Auch China wird keinen Sturz des Regimes in Pjöngjang betreiben, denn das wäre innenpolitisch zu riskant. Aber eine geschlossene diplomatische Front gegenüber Nordkorea, verbunden mit zunehmend harten Wirtschaftssanktionen, würde es Kim sehr schwer machen, aus seinen Atomwaffen außenpolitisches Kapital zu schlagen.

Vor allem dürften die USA keinen Zweifel daran lassen, dass sie zur Verteidigung von Südkorea und Japan bereitstehen. Das aber erfordert eine umfassende und zielgerichtete Diplomatie, die Trump bisher vermissen ließ. Ständig vermischt er Sicherheits- mit Wirtschaftsinteressen, verlangt größere finanzielle Beteiligungen der Verbündeten und überlegt nun sogar – zum allerschlechtesten Zeitpunkt -, das Freihandelsabkommen mit Südkorea aufzukündigen. Das wäre ein verheerendes Signal. Es bringt auch wenig, Südkoreas neuem Staatschef Moon Jae-in Beschwichtigungspolitik vorzuwerfen, weil dieser einen Dialog mit Pjöngjang anstrebt, und China zu verärgern, indem Trump Peking alle Schuld an Kims verantwortungslosem Verhalten zuschiebt.

Früher oder später werden die USA mit Nordkorea verhandeln müssen, wenn sie eine weitere Eskalation vermeiden wollen. Trump hat das anfangs ja selbst ins Spiel gebracht. Kim will vor allem Anerkennung der Unabhängigkeit und eine Garantie gegen den Versuch eines Regimewechsels. Aber für ein halbwegs befriedigendes Ergebnis am grünen Tisch brauchen die USA vernünftige Beziehungen zu den anderen betroffenen Staaten, allen voran Südkorea und China. Dem steht bisher Trump im Weg. Seine aggressiven Tweets und Drohungen mit Handelskriegen erlauben es Kim, aus militärischen Machtdemonstrationen auch politischen Nutzen zu ziehen. (Eric Frey, 3.9.2017)