Sebastian Vettel beschwingt ...

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... vom roten Fahnenmeer.

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Monza – Ferrari-Boss Sergio Marchionne spie wie ein Vulkan. Während sich Sebastian Vettel vor Zehntausenden Tifosi nach Platz drei in Monza wie "der König der Welt" fühlte, ließ der ehrgeizige Fiat-Chef seiner Verärgerung freien Lauf. "Wenn ich mir den Unterschied zu Mercedes anschaue, dann ist das peinlich. Wir haben einfach völlig versagt", wetterte der 65-Jährige nach dem Heim-Debakel am RTL-Mikrofon.

Man musste nicht allzu gründlich zwischen den Zeilen lesen, um festzustellen, dass Marchionne nach dieser Klatsche mit dem Frohsinn seines Star-Piloten wenig anfangen konnte. Doch der 30-jährige Vettel war nach den lauten Liebesbekundungen der Ferraristi geradezu immun gegen kritische Töne.

Vettel euphorisch

"Ihr könnt mich fragen, was ihr wollt. Ihr werdet heute nur positive Antworten bekommen", sagte Vettel, nachdem er nach einer wehrlosen Vorstellung erstmals in dieser Saison die WM-Führung an den nun drei Punkte vorausliegenden Monza-Sieger Lewis Hamilton abgeben musste.

"Bei der Stimmung in der Auslaufrunde und auf dem Podium fühlt man sich wie der König der Welt. Auch wenn wir heute eins auf den Deckel bekommen haben, bin ich überzeugt, dass da noch richtig was kommt in den nächsten Rennen", führte Vettel aus – und sagte dann einen Satz, der Marchionne besser nicht zu Ohren kommt: "Das Ergebnis ist mir in dieser Hinsicht fast ein bisschen egal."

Stattdessen verwies Vettel entschuldigend auf "Probleme in den letzten 20 Runden" nach einem kleinen Ausritt – nur hatte er da schon den Großteil der letztlich 36,3 Sekunden Rückstand angesammelt, die ihm Mercedes-Star Hamilton aufdrückte.

"Vom Abstand will ich heute nichts wissen, der Spirit ist da", betonte Vettel, der zum wiederholten Mal auf die steile Entwicklung der Scuderia im Vergleich zur sieglosen Vorsaison verwies: "Wir kommen von hinten. Klar, Ferrari muss immer die Nummer eins sein. Aber Monza ist mit anderen Strecken nicht zu vergleichen, deswegen freue ich mich auf die nächsten Rennen."

Worauf sich dieser Optimismus stützt, blieb offen. Allerdings zeigte sich selbst die Konkurrenz verwundert ob der schwachen Performance der Roten, die doch so sehr den ersten Heimsieg seit 2010 einfahren wollten.

"Wir waren gut, aber Ferrari hat aus welchen Gründen auch immer einen Schritt zurück gemacht", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Es war eher ein Problem von denen, nicht unsere Dominanz. Dieser große Abstand ist ein Ausreißer."

WM-Führung verloren

Vettel und Ferrari müssen jedenfalls schnell die Wende schaffen. 161 Tage nach seinem Sieg beim Auftaktrennen in Melbourne ist der viermalige Weltmeister erstmals die WM-Führung los, beide Rennen nach der Sommerpause gewann Hamilton. Die Hoffnung bei Ferrari heißt Singapur: Auf dem verwinkelten Stadtkurs ist Vettel trotz der Vorstellung von Monza favorisiert.

"Da kann sich das Blatt schnell wenden", warnte Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda: "Wir müssen da Schadensbegrenzung betreiben. Der Ferrari ist ein Super-Auto für Singapur."

Der stolze Marchionne dürfte diese Worte des Respekts gern hören. Trotzig erklärte der Spitzenmanager: "Wir werden doppelt so hart arbeiten und den Gegnern das Lächeln aus dem Gesicht wischen." Danach allerdings verheißt der WM-Kalender bis zum Saisonfinale in Abu Dhabi Vorteile für Mercedes. Ferrari wird also wirklich hart arbeiten müssen. (sid, 4.9.2017)