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Blues.

Foto: AP/Kappeler

Eines der obersten Gebote im Wahlkampf lautet: In den eigenen Reihen muss Einigkeit herrschen. Wahlkämpfer mögen Streit nicht, auch keine öffentlich erteilten Ratschläge, die ja gelegentlich eigentlich Schläge sind und dem politischen Gegner Angriffsmöglichkeiten geben. Für eine gilt das, ganz offensichtlich ob ihrer Sonderstellung, nicht.

Zwar hält sich im Wahlkampf nun sogar der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer mit Kritik an Angela Merkel zurück. Aber die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende selbst nimmt sich dieses Recht durchaus heraus. Ihr missfallen Aussagen und Vorgänge in einigen CDU-Landesverbänden, und sie sagt das auch ganz deutlich. Ist es Zufall, dass es allesamt nicht die stärksten Landesverbände sind?

Man hat da so eine Ahnung. Zunächst hat sie sich über die Hamburger CDU geärgert. Die nämlich forderte nach den heftigen Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg den Rücktritt von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Der hatte vor dem Gipfel ja erklärt, das Treffen der Staats- und Regierungschefs werde so locker wie ein "Hafengeburtstag" ablaufen. Es kam dann deutlich anders, die oppositionelle Hamburger CDU sah ihre Chance, Scholz eine auszuwischen, und forderte seinen Rücktritt. Merkel aber stellte sich hinter Scholz und erklärte, sie habe den Gipfelort schließlich ausgesucht. "Dafür habe ich genauso die Verantwortung wie Olaf Scholz und drücke mich auch nicht davor", erklärte sie.

Meinungsschwenk in Berlin

Es traf aber auch die Berliner, und da sind wir wieder einmal beim leidigen Thema Flughafen. Festgeschrieben steht ja, dass der Flughafen Tegel geschlossen wird, sobald der BER – wann auch immer – öffnet. Doch die Berliner CDU hat ihre Ansicht geändert und findet nun, dass man Tegel doch länger offen lassen könnte. Dieser Meinungsschwenk passt Merkel nicht, und so rügte sie den Berliner Landesverband öffentlich, indem sie erklärte: "Ich gehe von dem Faktischen aus. Und da muss ich sagen, dass Tegel geschlossen werden muss, das ist die Rechtslage." Man verstand.

Seit Neuestem erklärt die Berliner CDU, Tegel müsse nur so lange weiterbetrieben werden, bis der BER (der ja noch gar nicht fertig ist) erweitert worden ist. In Sachsen-Anhalt ging es um tatsächliches Handeln. Dort hatte die AfD im Landtag eine Enquete-Kommission beantragt, die ab 2018 Linksextremismus in dem ostdeutschen Bundesland untersuchen solle. Der Großteil der CDU-Abgeordneten stimmte für den AfD-Vorschlag.

Der Rüffel aus Berlin ließ nicht lange auf sich warten: "Politisch halte ich das nicht für richtig. In der Tat sagt die Union: Wir arbeiten nicht mit der AfD zusammen, und wir arbeiten nicht mit der Linken zusammen", erklärte Merkel. Vielleicht erinnert sie sich ja auch an die Kritik von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) an ihrer Flüchtlingspolitik vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2016. Jetzt dreht Merkel den Spieß um – sie kann es sich offenbar erlauben. (Birgit Baumann aus Berlin, 5.9.2017)