Flache Sohlen, bequemes Fußbett, ökologische Materialien – dass in Österreich ordentliche Schuhe gemacht werden, ist nicht neu. In den 1980er- und 1990er-Jahren bliesen Schuhunternehmen wie Waldviertler und Think den alteingesessenen Schuhmachern, der Schuhindustrie und Traditionsunternehmen wie Ludwig Reiter den Marsch.

Bis heute werden die Schuhe aus dem Waldviertel und dem Innkreis, die atmungsaktiven Alternativen, die ökologisch korrekten Treter von österreichischen Bobos so leidenschaftlich wie ausdauernd getragen. Nur eines blieb bei aller Bewegtheit auf der Strecke: das Design. Dabei gibt es sie, die lokalen Schuhdesigner, die ihr Handwerk verstehen und keine Angst vor schönen Schuhen haben. Lange hat das Wiener Unternehmen Rosa Mosa die Fahne hochgehalten für individuelles Schuhwerk, jetzt macht sich die nächste Generation auf.

Da wäre zum Beispiel die zwischen Paris und Wien pendelnde Schuhdesignerin Elizaveta Fateeva. Sie designt seit fünf Jahren für die Männerlinie von Lanvin Schuhe, im Herbst will sie ihr Label, das im letzten Jahr als Versuchsballon begann, neu aufstellen: "In Wien kann ich mich aufs Schuhemachen konzentrieren", sagt sie. Vielleicht ist das das Geheimnis der Stadt, in der die Neuen gerade mit frischem Elan auf sich aufmerksam machen – zwischen alteingesessenen Handwerksbetrieben und den Bewegten von gestern. Vier kleine, feine österreichische Schuhlabels im Porträt.

Die Elegante: Rani Bageria

Eigentlich kommt Designerin Rani Bageria aus der Mode. Nach ihrem Studium an der Königlichen Akademie der schönen Künste in Antwerpen schnupperte die gebürtige Tirolerin im Pariser Modehaus Chloé hinein ins internationale Modebusiness, danach gründete sie in Wien ihr eigenes Label.

Rani Bageria
Foto: Christiano Tekirdali

Mittlerweile lässt sich am Angebot des Onlineshops auf ihrer Website ablesen: Der Fokus der Mittdreißigerin hat sich verschoben. Bageria setzt nun ganz auf die kunstvoll gelöcherten und genieteten Stiefeletten, die bereits Bestandteil ihrer ersten Modekollektion waren. Ihre Boots und Schlapfen kosten zwischen 400 und 600 Euro, sie sind tragbar, gewöhnlich sind sie nicht. Die Designerin kreuzt mit ihren Pistol Boots die Coolness von Cowboystiefeln mit "einem gewissen Prunkfaktor".

Dass Bageria sich nun auf Schuhe konzentriert, verwundert nicht. Schon an der Uni fertigte sie in Indien, der Heimat ihres Vaters, bei einem traditionellen Unternehmen Männerturnschuhe, für ihren Abschluss arbeitete sie mit einem Antwerpener Schuhmacher zusammen. "Ich hatte schon immer ein Faible fürs Spezialistentum", sagt Bageria heute. Zwar habe sie heute nicht weniger Arbeit als mit ihren Modekollektionen, ihre Arbeitsweise sei aber "konzentrierter und nachhaltiger".

Im Herbst präsentiert sie ihre Schuhe dank der Unterstützung des Wien Products Accessories Award der Wirtschaftskammer Wien erstmals bei der Accessoire-Messe Première Classe Tuileries. Und demnächst soll es dann cool glamourös à la Bageria werden, denn ihr nächstes Schuhmodell will hoch hinaus: Es soll "Donna High Heel" heißen, ist ein Schuh mit Plateau – und trotzdem tragbar.

Mit dem gewissen Etwas: die kunstvoll gelöcherten Pistol Boots der Designerin Rani Bageria.
Foto: Irina Gavrich

Die Boots und Schuhe von Rani Bageria (Kostenpunkt 400 bis 600 Euro) sind im Onlineshop auf ihrer Website zu haben.

Die Lässige: JS by Julia Skergeth

Dass schon ihr Urgroßvater als Schuhmacher gearbeitet hat, erfuhr Julia Skergeth irgendwann ganz nebenbei von ihrer Mutter. Da hatte die 25-jährige Gmundnerin, die in London auf der Kingston University Modedesign studiert hat, längst ihr Schuhlabel JS by Julia Skergeth gegründet – aus ganz persönlichen Motiven.

Julia Skergeth

Die Oberösterreicherin fand in Bandung auf Westjava, wo sie nach dem Studium drei Jahre lang lebte, nicht die Schuhe, die sie selber tragen wollte. Also ließ sie sich in den dort ansässigen Werkstätten welche herstellen – und perfektionierte nach und nach die ersten eigenen Modelle. Ihre Freunde bestärkten sie, die minimalistischen Hipster-Sandalen und die fellbesetzten Schlapfen (Skergeth verwendet Hasen- und Kaninchenfell aus alten Pelzmänteln) auch für andere zu produzieren.

Mittlerweile hat die Oberösterreicherin ihrer Produktionsstätte in Asien Adieu gesagt, produziert wird demnächst in Portugal. In ihrem Wiener Bürostudio im vierten Wiener Gemeindebezirk entwickelte sie mithilfe einer Gussform aus Metall eine Sohle aus Gummi, das Material fasziniert die Designerin: "Auf Gummi geht man extrem weich, das Fußbett rollt gut ab, im Gegensatz zu Schaumstoff ist das Material schön biegsam und hat eine Lebensdauer von rund zehn Jahren."

Obenherum hingegen arbeitet Skergeth fast ausschließlich mit italienischem Leder. Und neuerdings gibt es in ihrem Onlineshop auch eine Handtasche – und die bislang schwarzen und weißen Sohlen werden bald auch in Rosa zu haben sein.

Schuhe von JS by Julia Skergeth (200 bis 300 Euro) sind im Webshop und im Wiener Sight Store erhältlich.

Die Experimentelle: Carolin Holzhuber

Sie selbst sei kein Schuhfreak, Carolin Holzhuber schüttelt energisch den Kopf. Und hohe Schuhe habe sie eigentlich auch nie getragen, in ihrer Werkstatt sei sie auf praktische, flache Schuhe angewiesen. Umso erstaunlicher, dass die 28-Jährige sich den schwindelnd hohen Absätzen verschrieben hat. Neun Zentimeter seien ihre Leisten durchschnittlich hoch, plus Plateau.

Carolin Holzhuber
Foto: Holzhuber

Holzhubers Schuhe sind mehr Objekt als alltägliche Begleiter. Manche von ihnen, erklärt die gebürtige Wienerin, die seit einigen Jahren in London lebt, würde sie sogar als "tragbare Kunst" bezeichnen. Auf dem Sockel herumstehen müssen sie trotzdem nicht, denn tragbar sind sie. Das haben zuletzt die Models während der letzten Show von Iris van Herpen bewiesen. Die Designerin ließ ihre Models in High Heels von Holzhuber über den Laufsteg laufen, auch Musikerin Erykah Badu hat schon geordert.

Gefertigt wird in Holzhubers kleinem Atelier in London. Die Wienerin legt mit händischen Skizzen los, dann wird am Leisten weitergearbeitet. "Es stehen nur wenige Maschinen in meinem Atelier, ich arbeite überwiegend händisch an den Schuhen", erklärt die Designerin, die sich bereits an der Modeschule Hetzendorf für das Schuhhandwerk begeisterte und ihre Ausbildung am London College of Fashion fortsetzte. Die aufwendige Handarbeit hat ihren Preis. Die Kollektionsmodelle sind auf Anfrage ab 1.660 Euro zu haben.

Carolin Holzhubers Schuhobjekte sind über ihre Website anzufragen.

Die Tüftler: Vonmorgen

"Wir sind Designer, Handwerker, aber auch Erfinder", Thomas Licht, der seit 2014 mit der Schuhmachermeisterin Nicole Üblacker in der Wiener Leopoldstadt das Schuhlabel Vonmorgen führt, weiß das gemeinsame Label zu verkaufen. Vor sieben Jahren erlernte die ausgebildete Architektin Üblacker in Wiens erstem Bezirk im Schuhatelier Kudweis das Schuhmacherhandwerk. Auf klassische Herrenschuhe hatte sie irgendwann keine Lust mehr.

Nicole Üblacker und Thomas Licht

Gemeinsam mit Thomas Licht hat sich die Sneaker-Enthusiastin seither die Neuerfindung des Turnschuhs auf die Fahnen geheftet. Licht kümmert sich um Marketing und Organisation, Gesellin Irene Lechner unterstützt das Duo.

Das Vorzeigeprodukt des Teams: ein Sneaker, der vom Scheitel bis zur Sohle aus Leder gefertigt ist. Mithilfe einer Departure-Förderung wurde ausdauernd an einer Schalensohle, heute Bestandteil eines jeden ihrer Schuhe, getüftelt. Das Endergebnis klingt so durchdacht wie nachhaltig.

Das Sohlenleder der Vonmorgen-Schuhe kommt aus Thüringen, das Oberleder aus Tirol, die Sneaker sind mit einer Korkdämpfung ausgestattet. Gefertigt wird jedes Schuhmodell (mittlerweile gibt es auch Ballerinas, Sandalen und Schlapfen) in der Wiener Leopoldstadt. Hier sitzt das Unternehmen in der Großen Sperlgasse 19: Die Werkstatt ist gleichzeitig Verkaufsraum – und mehr. In den meisten Fällen würden Modifikationen an den vorhandenen Modellen vorgenommen, denn "bei Vonmorgen ist fast jeder ein Maßkunde".

Die Schuhe von Vonmorgen (500 bis 800 Euro) sind im Wiener Atelier in der Leopoldstadt zu haben.

(Anne Feldkamp, RONDO, 6.11.2017)

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