Noch vor wenigen Jahren krähte kaum ein Hahn nach Keramik. Mittlerweile sind Töpferwaren und Porzellan mit Handschrift heiß begehrt. Wir besuchten vier heimische Keramikkünstler in ihren Ateliers und sprachen über Elefanten im Porzellanladen, Brad Pitt und den Zauber, der Keramik innewohnt

Hedwig Rotter in ihrem Studio in Wien-Ottakring. Hier arbeitet sie mit Bone China, das sie als Diva unter den Porzellanarten bezeichnet.
Foto: Nathan Murrell

Angefangen hat bei mir alles mit einem Abendkurs für Bildhauerei. Da hat es klick gemacht. Ich kann mich sogar an mein allererstes Objekt erinnern, es war eine kleine Skulptur im Stile von Nike von Samothrake aus Ton.

Als ich dann in den 1990er-Jahren auf der Wiener Angewandten studiert habe, wurde Keramik noch ziemlich belächelt, sogar innerhalb der Universität. Das Ganze umwehte so eine Art "Hausfrauen-Töpferkurs-Image". Dabei hat Keramik in Wien eine große Tradition, man denke nur an die Wiener Werkstätte, von Augarten ganz zu schweigen.

Irgendwann ist das abgerissen. Mittlerweile kann man Keramik in Wien nicht einmal mehr studieren. Namhafte Galerien, die sich mit dem Thema beschäftigen, fallen mir auch keine ein. Umso schöner ist es, dass wir nun diesen Boom erleben dürfen. Vielleicht handelt es sich auch nur um eine Mode, die von den Medien zusätzliche gehypt wird. Aber es ist schon spürbar, dass Menschen verstärkt Sehnsucht danach haben, mit ihren Händen etwas zu machen oder zumindest Handgemachtes in ihren Händen zu halten, Dinge, die aus der Zeit der Schnelllebigkeit herausfallen.

Die Leute wollen mehr und mehr wissen, welche Arbeit hinter einem Objekt steckt. Das zieht mittlerweile weite Kreise. In der Tate Modern in London zum Beispiel wird diesen Herbst eine Installation gezeigt, die aus einer Art Keramikfabrik besteht, in der die Besucher die Möglichkeit haben mitzuarbeiten. Oder einfach nur zuzuschauen.

Keramik bedeutet Geschichte

Trotz solcher und vieler anderer Aktivitäten sieht es in Europa allerdings immer noch ganz anders aus als in Asien. Ich besuchte heuer eine Stadt in China, in der es 12.000 Keramikateliers gibt. Dort werden Teekannen gefertigt, die bis zu 80.000 Euro kosten.

Keramik hat eine geheimnisvolle Seele, in der sich die wichtigsten Elemente finden: Erde, Feuer, Wasser, Luft. Es ist definitiv mein Material. Ich habe seinerzeit bei Matteo Thun auf der Angewandten studiert. Die Metallklasse wäre für mich nie infrage gekommen. Das Material ist mir zu hart. Mir liegt dieses Erdverbundene, Rohe, Bodenständige.

Hinzu kommt das Archaische, das dem Material innewohnt. Keramik bedeutet Geschichte, mehr noch: spürbare Geschichte. Ich würde jedem empfehlen, es einmal in die Hand zu nehmen. Das ist etwas anderes, als ein Smartphone in den Händen zu halten.

Ich mache diesen Job nun seit 20 Jahren und lerne immer noch Neues dazu. Das Material hat ein Eigenleben, dem man sich bis zu einem gewissen Grad unterwerfen muss. Dazu kommt, dass man bei der Arbeit mit Keramik immer mit Überraschungen konfrontiert wird.

Letztendlich sind die Flammen des Feuers im Ofen der entscheidende Player. Darum spucke ich auch dreimal symbolisch in den Ofen, bevor ich seine Türe schließe. Man könnte das Ding durchaus als Wunderkammer bezeichnen. Der Augenblick, indem aus einer weichen Masse etwas ganz Hartes wird, ist immer ein besonderer. Man schafft etwas, das im besten Fall ein Leben lang hält.

Besonderen Spaß macht mir das Gießen von Formen. Da muss man hundertprozentig bei der Sache sein. Wenn man einen schlechten Tag hat, wirkt sich das sofort aus.

Auch das Töpfern auf der Scheibe ist eine Frage der Konzentration. Den Tonklumpen richtig zu zentrieren erfordert auch von einem selbst, in seinem Zentrum zu sein. Ich meine das auch nicht esoterisch. Man muss sich einfach wirklich darauf einlassen. Das fordert das Material ein.

Hedwig Rotter: "Meine Arbeiten sind sehr fein und zart, verfügen über eine ganz eigene Eleganz und Ästhetik."
Fotos: Mano Design

Eine Diva

Klar gibt es bei meiner Arbeit eine Menge Ausschuss, vor allem bei der von mir bevorzugten Arbeit mit Bone China. Dabei handelt es sich um ein besonders edles Porzellan, dem Knochenasche beigemischt wird. Bone China ist für mich die Diva unter den Porzellanen.

Meine Formensprache würde ich als reduziert und klar bezeichnen. Ich versuche Dinge wegzunehmen, nicht hinzuzufügen. In letzter Zeit beschäftige ich mich sehr mit Mustern, was übrigens zurzeit gar nicht so im Trend ist. Das kümmert mich allerdings nicht. Von großer Bedeutung ist, dass die Objekte im Alltag funktionieren und keine Staubfänger werden.

Meine Arbeiten sind sehr fein und zart, verfügen über eine ganz eigene Eleganz und Ästhetik. Raue, unfertig wirkende Formen, die derzeit sehr gefragt sind, entsprechen einfach nicht meinem Wesen. Und so etwas kann man auch nicht nachmachen. Will ich auch gar nicht. (Michael Hausenblas, RONDO, 8.9.2017)