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"Gülle ist eine große Party für Bakterien", sagt die Wasserforscherin Gabriele Weigelhofer.

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Um intakte und saubere Gewässer zu erhalten, wird untersucht, wie sich organisches Material im Wasser verhält.

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Wien – Intakte und saubere Gewässer gelten als eine der wichtigsten Ressourcen der Alpenregion – gerade angesichts der Veränderungen durch den Klimawandel. Zu ihrer bestmöglichen Nutzung und Erhaltung gehört, den menschlichen Einfluss auf die Gewässer und ihre – erwünschten oder nicht erwünschten – Inhaltsstoffe so gut wie möglich zu verstehen.

Eine wichtige Rolle spielt der Agrarbereich. In Gewässern lösen sich große Mengen an organischen Materialien, die zum Teil aus der Landwirtschaft stammen; Materialien, die schwere Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht der Gewässer haben können – bis hin zu ihrem Umkippen, also extremer Artenarmut durch Sauerstoffmangel.

Gabriele Weigelhofer vom Wassercluster Lunz – die Forschungseinrichtung wird von Uni Wien, Donau-Uni Krems und der Wiener Boku betrieben – ist mit Kollegen dabei, Zusammenhänge zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Gewässerzustand genauer zu ergründen. Die Forschung ist im Projekt Orca (Organic carbon cycling in streams) organisiert, in dem der Wassercluster Lunz mit dem Bundesamt für Wasserwirtschaft und der Donau-Uni Krems kooperiert und das vom Land Niederösterreich über die Förderagentur NFB unterstützt wird.

Wie ein Teebeutel

Dass sich organisches Material in Gewässern löst, ist ein vollkommen natürlicher Vorgang. "Es ist wie ein Teebeutel im kochenden Wasser", veranschaulicht Weigelhofer. Abgestorbene Pflanzen und tote Tiere werden von Regen oder in den Gewässern selbst ausgespült und hinterlassen kleinste Partikel im Wasser: "Die Stoffe sind sehr vielfältig – von Traubenzucker über Aminosäuren bis zu sehr komplexen Molekülen wie pflanzlichen Gerbstoffen", erklärt die Gewässerökologin.

Diese organischen Kohlenstoffe sind Nahrung für Bakterien im Wasser und Teil des Kohlenstoffkreislaufs. Ein Überangebot des gelösten Materials lässt allerdings die Bakterien im Wasser gedeihen und den Sauerstoffgehalt sinken. Heiße Sommer, die sich durch den Klimawandel häufen, verschärfen das Problem. Kippt das Gewässer, verschwinden zuerst Forellen und andere Fische. "Schlammröhrenwürmer und gewisse Insektenlarven können auch im sauerstoffarmen Umfeld überleben. Sinkt der Gehalt weiter, bleiben irgendwann nur Bakterien im Wasser zurück", erklärt Weigelhofer. "In stark verschmutzten Gewässern können zudem Treibhausgase wie Methan oder Lachgas entstehen."

In der Landwirtschaft fallen viele Formen organischen Materials an, das Einfluss auf die Gewässer haben kann. Eines bereitet Weigelhofer besondere Sorgen: "Ich beobachte, dass in den letzten Jahren immer mehr Gülle ausgebracht wird." Statt ein bis zwei Mal pro Jahr, wie früher üblich, würden die Felder bis zu fünfmal pro Jahr mit diesem "puren organischen Material" versetzt.

"Auf Äckern bleibt eher schwer abbaubares Material zurück. Gülle ist im Gegensatz dazu eine große Party für die Bakterien", sagt die Forscherin. Der Effizienzdruck in der Lebensmittelproduktion lässt die Bauern öfter ihre Wiesen mähen und entsprechend häufiger düngen.

Weigelhofer plädiert für eine nachhaltigere Bewirtschaftung, ein verträgliches Ausmaß an Gülle-Ausbringung und Pufferstreifen entlang der Bäche: "Etwas Abstand und ein kleiner Aubereich halten viele der Substanzen zurück und helfen dem Gewässer bei der Aktivierung der Selbstreinigungskräfte."

Kleine Konzentrationen

Während Weigelhofer mit einer Vielzahl an Experimenten Eintrag und Auswirkungen des omnipräsenten organischen Materials in Gewässern untersucht, werden an anderer Stelle Instrumentarien entwickelt, die sehr spezifische und nur in geringen Dosen vorhandene Verunreinigungen nachweisen können. Philipp Fruhmann vom Forschungsunternehmen CEST (Kompetenzzentrum für elektrochemische Oberflächentechnologie) optimiert mit Kollegen und dem Wassercluster Lunz als Partner im Rahmen eines ebenfalls vom Land Niederösterreich geförderten Projekts sogenannte ionenselektive Elektroden für die Wasseranalyse.

Die Sensoren bestehen aus einer Membran, die "wie durch ein Schlüsselloch" nur bestimmte Moleküle durchdiffundieren lässt und eine messbare Potenzialdifferenz erzeugt. Auf diese Art sind im Moment Konzentrationen von einem Milligramm pro Liter nachweisbar. Die Forscher wollen die Genauigkeit um den Faktor 1000 erhöhen.

Fruhmann und Kollegen konzentrieren sich auf Moleküle wie Koffein oder Paracetamol, die in vielen Gewässern – auch in der Donau – nachweisbar sind. "Die Substanzen sind in einem so geringen Ausmaß vorhanden, dass sie nicht ins Gewicht fallen, wenn man einen Liter Wasser trinkt", sagt der Forscher. "Die offene Frage ist, wie es sich langfristig auswirkt, wenn sie sich über Jahrzehnte im Körper anreichern."

Geringe Konzentrationen, etwa von Pharmazeutika, sollen sehr schnell und ohne teure Laborausrüstung nachweisbar werden. Die Technologie könnte sogar zu einer Heimanwendung werden, glaubt Fruhmann. "In fernerer Zukunft könnte man die Sensorik mit einem Smartphone koppeln und die Inhaltsstoffe des Fruchtsafts zu Hause überprüfen." (Alois Pumhösel, 10.9.2017)