Im Mittelmeer aufgegriffene Migranten werden von der libyschen Küstenwache nach Tripolis zurückgebracht.

Foto: AFP / Mahmud Turkia

Tripolis/Kairo – Kaum ein Tag vergeht ohne neuen Vorschlag, mit dem die Fluchtbewegungen aus Afrika über Libyen nach Europa gestoppt werden sollen. Am Montag war die Reihe an Antonio Tajani, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, der von der Uno geführte Zentren für Migranten im Süden Libyens, in Niger und im Tschad anregte und dafür sechs Milliarden Euro einsetzen will. Der gleiche Betrag wie der, den die EU der Türkei für die Schließung der Route im östlichen Mittelmeer versprochen hatte.

Tatsache ist, dass diese Bewegungen aus Nordafrika nach Europa in den vergangenen zwei Monaten bereits massiv zurückgegangen und die Erklärungen für diese Entwicklung widersprüchlich sind. Im Juli kamen laut UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) im Vergleich zum Vorjahr etwa 50 Prozent weniger Menschen über die zentrale Mittelmeerroute in Italien an – 11.461 statt 23.552 wie im Jahr 2016. Im August waren es mit 3.813 Ankünften sogar rund 80 Prozent weniger als im Vorjahr (21.294), obwohl die Sommermonate wegen der meist ruhigen See die Hauptsaison für die Fluchtwilligen sind.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) konnte sogar vermelden, dass während mehrerer Tage überhaupt keine Todesopfer zu beklagen waren. Sie hat auch Augenzeugen zitiert, dass vor allem im Küstenort Sabratha Migranten am Besteigen der Boote gehindert und festgenommen würden, und zwar von Milizen, die bisher Hauptakteure im Schleppergeschäft gewesen waren. In lokalen und internationalen Medien wurde spekuliert, Italien habe ihnen Millionen dafür bezahlt.

Rom dementiert Zahlungen

Das Außenministerium in Rom beteuerte dagegen, es würden keine bewaffneten Milizen bezahlt, um die Flüchtlingsbewegungen zu stoppen. Bestätigt wurde lediglich, dass tausende Hygiene- und Notfallpakete an die libysche Küstenwache übergeben wurden, um die zurückkehrenden Migranten zu versorgen. Die Küstenwache wird von Italien zudem mit Ausrüstung und Ausbildung unterstützt. Sie hat denn auch in den vergangenen Tagen deutlich mehr Boote an der Überfahrt gehindert als in früheren Monaten. Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex bestätigte, die vermehrte Präsenz der libyschen Küstenwache an den Abfahrtorten habe zu einem Rückgang der Zahl der Schmugglerboote beigetragen.

Ein Chef dieser Milizen erklärte, man habe mit der Regierung in Tripolis ein Abkommen geschlossen, um die Flüchtlinge zu stoppen, und würde zu diesem Zweck Fahrzeuge und Boote erhalten. Die Regierung von Fayez al-Serraj hat in letzter Zeit mehr Engagement bei der Bekämpfung des illegalen Menschenschmuggels gezeigt.

Schlepperbandenchef verhaftet

Sie hat eine Schmuggellücke hauptsächlich für Migranten aus Bangladesch und Nordafrika über den Flughafen in Tripolis geschlossen. Außerdem wurde ein bekannter Schlepperbandenchef in der Stadt Zuwara verhaftet, der neben Menschen auch Benzin und Öl geschmuggelt hatte. Ob diese Anstrengungen von Dauer sind und die Flüchtlingszahlen längerfristig niedrig bleiben, wird sich zeigen. Gut möglich, dass auf andere Küstenstädte wie zum Beispiel Khoms östlich von Tripolis ausgewichen wird.

Unterdessen wurden auf Sardinien zunehmende Ankünfte von Flüchtlingen registriert. In den vergangenen vier Tagen trafen elf Boote mit insgesamt 160 Migranten aus Algerien auf der Insel ein. Sie waren vom Strand Sidi Salem in Annaba abgefahren. Seit Anfang 2017 landeten bereits 960 Migranten auf Sardinien – im gesamten Jahr 2016 waren es 1.106. Zwischen Italien und Algerien besteht seit 2009 ein Abkommen, um im Kampf gegen Schlepperei zusammenzuarbeiten. Dieses möchte Rom im Oktober mit einem weiteren Pakt ausbauen. (Astrid Frefel, 5.9.2017)