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Hans-Christian Ströbele (78) war der erste und bisher einzige direkt gewählte grüne Bundestagsabgeordnete. Er verlässt das Parlament.

Foto: dpa / Rainer Jensen

Man hat mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) viel lachen können. Zwölf Jahre lang saß er dem Parlament vor, oft meldete er sich mit beißender Ironie zu Wort. Am Dienstag aber ringt er bei der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode um Fassung, als er den Abgeordneten noch einen letzten Rat mitgibt.

"Bewahren Sie sich nach unseren Abstürzen in der Geschichte, dass die Demokratie wichtiger ist als die Ansichten mancher Fundamentalisten", sagt Lammert, und jeder weiß, wer gemeint ist. Nach der Wahl wird höchstwahrscheinlich die AfD im Bundestag sitzen.

Doch es gibt auch vergnügliche Abschiedsworte. So lobt Gregor Gysi (Linke), dass Lammert immer auch die Rechte der Opposition geachtet habe. Und er rät ihm: "Sie müssen bewusst das Alter genießen. Und reden Sie bloß nicht so viel über Krankheiten."

Politik jahrzehntelang geprägt

Lammert (68) wird dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Gysi (69), der insgesamt 22 Jahre im Bundestag war und sich bereits als Fraktionschef zurückgezogen hat, führt diesmal nicht die Berliner Landesliste an, sondern kandidiert "nur" direkt in seinem Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick, wo er aber gute Chancen hat.

Neben Lammert verlassen aber noch mehr "Dinosaurier", die jahrzehntelang die Politik mitgeprägt haben, das deutsche Parlament. Einer von ihnen ist der Grüne Hans-Christian Ströbele (78), der 32 Jahre lang dabei war und Geschichte schrieb. 2002 holte er in Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg das erste Direktmandat für die Grünen.

Im Wahlkampf hatte der ehemalige RAF-Anwalt "Ströbele wählen heißt Fischer quälen" plakatiert. Damals regierte Rot-Grün, und Ströbele war oft mit dem Pragmatismus des grünen Außenministers Joschka Fischer nicht einverstanden.

Protest gegen Merkel

Auch die Unionsfraktion wird einen Rebell weniger in ihren Reihen haben: Wolfgang Bosbach (65), der seit 1994 Abgeordneter war. Der Innenexperte und deutschlandweit bekannte "Talkshow-König" verzichtete nicht nur wegen seiner Krebserkrankung auf eine neuerliche Kandidatur, sondern er hat auch von Kanzlerin Angela Merkel genug.

"Die CDU hat in wichtigen Fragen Kurskorrekturen vorgenommen, die ich nicht mehr vertreten kann", erklärt er. In vielen Grundsatzfragen – Milliardenhilfen für Griechenland oder offene Grenzen – stellte er sich bei Abstimmungen gegen Merkel.

Es geht aber auch eine, deren Aufgabe die Vermittlung war, nämliche jene zwischen Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): Gerda Hasselfeldt (67), die ihr Mandat seit 1987 hatte. Seit 2011 war sie Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag und musste vor allem während der Flüchtlingskrise oft ausgleichen, indem sie versuchte, so manches harte Wort von Seehofer zu relativieren.

Der Älteste ist 81 Jahre

Wenn der neue Bundestag zusammenkommt, werden viele auch an Heinz Riesenhuber (CDU) denken. Er war mit 81 Jahren der älteste Abgeordnete, er saß 41 Jahre im Bundestag. 2009 und 2013 durfte er daher auch als Alterspräsident die jeweils erste Sitzung der Legislaturperiode eröffnen.

Nach der Wahl wird dies übrigens nicht mehr der älteste Abgeordnete tun. Auf diese Änderung hat man sich verständigt, um AfD-Mann Alexander Gauland (76) als Alterspräsidenten zu verhindern. Also wird Finanzminister Wolfgang Schäuble (75) als dienstältester Abgeordneter die konstituierende Sitzung leiten.

Am Dienstag, bei der letzten Sitzung, gab es noch einmal einige Verbalgefechte. So erklärt Merkel süffisant in Richtung der SPD-Abgeordneten: "Gegen meinen Willen und den der Unionsfraktion konnten Sie in diesem Parlament nichts durchsetzen."

"Zeit vorbei"

Konter von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD): Es habe durchaus Momente gegeben, in denen die SPD helfen musste, dass Merkel überhaupt gegen Seehofer und Schäuble "einen Willen haben durfte". Merkel sorgt am Ende ihrer Rede noch für Heiterkeit. Sie hört auf zu sprechen, "weil meine Zeit ja vorbei ist". Als Gelächter ertönt, korrigiert sie sich rasch und sagt: "Also meine Redezeit." (Birgit Baumann aus Berlin, 5.9.2017)