Künstlerische Darstellung eines supermassereichen Schwarzen Lochs. Ein solches Massemonster befindet sich auch im Herzen der Milchstraße.
Illustration: APA/AFP/NASA/LYNETTE COOK

Yokohama/Wien – Im Herzen der Milchstraße existiert – so wie in den Zentren aller Galaxien – ein riesiges Schwarzes Loch. Ein solches Massemonster erzeugt eine so starke Gravitation, dass weder Materie noch Licht diese Umgebung verlassen können. Dementsprechend können Schwarze Löcher auch nur indirekt beobachtet werden.

Sagittarius A*, supermassereich

Jenes supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie wird auf 4,3 Millionen Sonnenmassen geschätzt und befindet sich im Sternbild Schütze, dessen lateinischer Name Sagittarius ist. Demgemäß heißt dieses Schwarze Loch Sagittarius A* (sprich: Sagittarius A Stern).

Dieses Schwarze Loch ist zwar das größte, aber nicht das einzige Schwarze Loch der Milchstraße: Astronomen gehen davon aus, dass es rund 100 Millionen solcher Objekte allein in unserer Galaxie geben dürfte – die meisten davon sind kleine stellare Schwarze Löcher, die nach dem Tod von Sternen entstehen und nur wenige Sonnenmassen haben.

100.000-fache Sonnenmasse

Nun könnte ein weiteres massereiches Schwarzes Loch dazukommen – und zwar ein besonderes: Wie japanische Forscher um Tomoharu Oka (Keio-Universität in Yokohama) im Fachblatt "Nature Astronomy" berichten, stießen sie unweit des Zentrums der Milchstraße – und damit nahe Sagittarius A* – auf ein mittelschweres Schwarzes Loch mit der 100.000-fachen Sonnenmasse. Das wäre das zweitgrößte bekannte Schwarze Loch der Milchstraße.

Die Milchstraße mit dem Zentrum und den beiden Schwarzen Löchern. Ziemlich weit davon entfernt liegt unser Sonnensystem. Unsere Galaxie hat einen Durchmesser von gut 100.000 Lichtjahren.

Entdeckung mit Alma

Die indirekten Beobachtungen gelangen mit Alma, einer aus 66 Antennen bestehenden Radioteleskopanlage in Chile. In der Nähe von Sagittarius A* stießen die Forscher zunächst auf eine Wolke aus molekularem Gas, das sich mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit bewegt.

Computersimulationen deuteten auf ein Schwarzes Loch als Erklärung hin. Diese Vermutungen wurden durch eine punktförmige Radioquelle bestätigt, deren Spektrum dem des zentralen Schwarzen Lochs der Milchstraße ähnelt, allerdings mit einem Fünfhundertstel der Intensität.

So sieht eines jener Bilder aus, mit denen das mittelschwere Schwarze Loch identifiziert wurde: Das Kreuz markiert die nun entdeckte punktförmige Strahlungsquelle, die auf ein Schwarzes Loch mittlerer Masse hindeutet.
Illustration: T. Oka et al. / Nature Astronomy

Entstehung supermassereicher Objekte

Die Entdeckung, die durch weitere Messungen abgesichert werden muss, ist vor allem deshalb spannend, weil sie Licht in die Formierung supermassereicher Schwarzer Löcher bringen könnte. Laut Theorie muss dafür zuerst einmal ein Schwarzes Loch mittlerer Masse aus vielen stellaren Schwarzen Löchern in einem dichten Sternhaufen entstehen.

Diese Schwarzen Löcher mittlerer Masse könnten dann in einem zweiten Schritt im Zentrum einer Galaxie zu einem supermassereichen Schwarzen Loch verschmelzen. Derlei mittelschwere Kandidaten gab es für die Milchstraße noch nicht. Einen solchen könnten nun aber Oka und seine Kollegen mit ihrer Beobachtung gefunden haben. (Klaus Taschwer, 5.9.2017)