Ein Babybauch heißt nicht auf Sport verzichten müssen. Verläuft die Schwangerschaft unkompliziert und ist die Frau gesund, empfehlen Hebammen und Physiotherapeutinnen körperlich aktiv zu sein und wie gewohnt Sport zu betreiben.

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Die Running Clinic Mom bietet für sportinteressierte Schwangere und Mütter ein spezielles Outdoor-Training.

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Wien – Sport mit Babybauch ist kein Widerspruch. Im Gegenteil: Verläuft die Schwangerschaft unkompliziert und ist die Frau gesund, empfehlen Hebammen und Physiotherapeutinnen körperlich aktiv zu sein und wie gewohnt Sport zu betreiben. "Während der Schwangerschaft kann man fast alles machen", sagt Roswitha Wallner. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet sie als Hebamme. Sie führt eine Gemeinschaftspraxis im niederösterreichischen Weigelsdorf und ist in der Forschung und Lehre an der Fachhochschule Campus Wien tätig.

Wer zum Beispiel gern wandert, schwimmt, Yoga macht oder mit dem Rad fährt, soll auf keinen Fall darauf verzichten. "Solange es Spaß macht, ist auch Laufen möglich", sagt Wallner. Und: Auch wenn der wachsende Babybauch zunehmend den Aktionsradius limitiere, sei es wichtig, an der Ausdauer zu arbeiten, Herz und Kreislauf zu kräftigen und die gesamte Skelettmuskulatur aktiv zu halten. "Beweglich zu bleiben, hilft auch beim Gebären", betont Wallner. Welche Sportarten während der Schwangerschaft nicht geeignet sind? Hochleistungs-, Wettkampf- und Risikosportarten. Wegen der Sturz- und Erschütterungsgefahr sei auch vom Reiten über Stock und Stein abzuraten. Moderates Reiten hingegen ist okay, so die Hebamme.

Der weibliche Körper vollbringt während einer Schwangerschaft wahre Glanzleistungen. Nicht nur die hormonelle Umstellung und das zunehmende Gewicht fordern den Körper. Um dem wachsenden Fötus Platz zu machen, verschieben sich die inneren Organe nach oben und unten. Die Bauchdecke mit ihren bindegewebsartigen Faszien und Muskeln wird gedehnt und in der Mitte leicht auseinandergeschoben. Besonders beansprucht wird auch der Beckenboden. Dieses Geflecht aus Muskeln, Bändern und Bindegewebe, das sich zwischen den Schambeinknochen und der Spitze des Steißbeins spannt, wird durch Schwangerschaft und Geburt stark belastet.

Rückbildung passiert größtenteils von selbst

Ist das Baby dann auf der Welt, muss der Körper alles, was sich während Schwangerschaft und Geburt gedehnt hat, wieder rückbilden. Das passiert zum größten Teil ganz von selbst: Die Gebärmutter wird wieder kleiner, der Bauch flacher. Mithilfe gezielter Übungen wird auch die Beckenbodenmuskulatur wieder aufgebaut. Im Wochenbett sollen sich Frauen erst mal von der Geburt erholen und sich Ruhe gönnen. Sechs Wochen nach einer Spontangeburt und acht Wochen nach einem Kaiserschnitt kann dann langsam wieder mit Trainingseinheiten begonnen werden.

"Viele Frauen wissen nicht mehr, wie sehr und auch ab wann sie den Beckenboden und die Bauchmuskulatur belasten dürfen", sagt Franziska Malle. Sie arbeitet als Physiotherapeutin in Wien. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Franziska Severino-Schönburg hat sie Anfang 2016 die Running Clinic Mom gegründet. Für sportinteressierte Schwangere und Mütter haben die beiden Physiotherapeutinnen ein spezielles Outdoor-Training entwickelt: ein Programm abseits von regulären "Streichelgymnastik-Kursen und Atemübungen", wie es auf ihrer Webseite heißt.

Malle und Severino-Schönburg wollen mit frischem und jugendlichem Elan mögliche Tabus und Ängste vom Tisch fegen. "Es ist normal, wenn der Beckenboden nicht immer hält und mal ein Tröpfchen abgeht", sagt Malle. Nach der Geburt komme das häufig vor. Schließlich wurde der Beckenboden weit gedehnt und hat während der Schwangerschaft das Gewicht des Kindes getragen. Nach abgeschlossener Rückbildung sollte der Muskel aber wieder stabil sein, erklärt sie.

Individuelle Betreuung wichtig

"Jede Frau hat einen gesunden Beckenboden verdient", sagt Malle. Auf dem Weg dorthin wird vor jeder Trainingseinheit der Zustand des Beckenbodens getestet. Dazu gibt es medizinischen Input. Individuelle Betreuung ist der Physiotherapeutin wichtig. Schließlich sollen die Übungen korrekt durchgeführt werden. Nach dem Training bleibt immer auch Zeit für persönliche Rückfragen. Und weil viele Mütter nicht wissen, wohin sie während des Turnens mit dem Nachwuchs sollen, können sie diesen zum Training mitnehmen.

In die Running Clinic Mom kommen auch Frauen mit Beckenbodenbeschwerden, Wirbelsäulen- und Gelenkschmerzen, Nabelbruch und Rektusdiastase. "Hier ist es wichtig, die betreffenden Befunde zu kennen und eine ärztliche Freigabe für Bewegungstraining zu haben", erläutert Malle. In der Ordination der Running Clinic Mom wird dann individuell auf die Beschwerden eingegangen. Mittlerweile würde man mehr auf den Beckenboden achten, das findet auch Roswitha Wallner: "Ein wichtiger Schließmuskel, der – wenn er intakt ist – Frauen bis ins hohe Alter fit hält." Schade, dass Krankenkassen keine Kosten für Schwangerschafts- und Rückbildungsgymnastik übernehmen. (Christine Tragler, 8.9.2017)