Unabhängigkeitsaktivisten werben in Barcelona für das Referendum.

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Im Eilverfahren brachten die Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens am Mittwoch im Autonomieparlament in Barcelona ein Gesetz zur Durchführung eines entsprechenden Referendums am 1. Oktober ein – und kamen damit nach stundenlanger Debatte mit 72 von 135 Stimmen durch, elf enthielten sich. Die Abgeordneten der Opposition hatten das Plenum vor dem Votum aus Protest verlassen.

Und schon in den nächsten Tagen soll ein zweites Paragrafenwerk folgen, das Regelungen zur endgültigen Abspaltung der Region im Nordosten von Madrid enthält. Es sieht die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung sowie die Schaffung eigener Institutionen für eine "Republik Katalonien" vor.

Beide Texte wurden vom Bündnis Gemeinsam für das Ja (JxSí) aus der Demokratisch-Europäischen Partei Kataloniens (PdeCat) und der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) sowie der antikapitalistischen Kandidatur der Volkseinheit (CUP) verfasst. Gemeinsam hat man eine Mehrheit.

Gerichtliche Verfolgung droht

Die Madrider Regierung des Konservativen Mariano Rajoy wird unverzüglich vor das spanische Verfassungsgericht ziehen, um das Referendum für illegal erklären zu lassen. Außerdem droht Rajoy damit, die katalanische Autonomieregierung unter Carles Puigdemont und weitere Verantwortliche wegen des Referendums gerichtlich verfolgen zu lassen.

Madrid meint es ernst. Das zeigte schon der Fall der Verantwortlichen für eine unverbindliche Bürgerbefragung – ebenfalls zum Thema Unabhängigkeit – am 9. November 2014: Sie wurden vom Obersten Gericht in Madrid mit einem Ämterverbot belegt. Außerdem sind sie für den 25. dieses Monats vor den Rechnungshof geladen. Sie sollen fünf Millionen Euro hinterlegen. Da die Bürgerbefragung damals vom Verfassungsgericht für illegal erklärt worden war, prüft der Rechnungshof, ob die Verantwortlichen – unter ihnen der ehemalige katalanische Regierungschef Artur Mas – die der katalanischen Autonomieregierung entstandenen Kosten aus eigener Tasche erstatten müssen.

"Angst verbreiten"

"Der spanische Staat hat einen qualitativen Sprung gemacht, in dem er angesichts des Referendums am 1. Oktober Angst verbreitet", beschwert sich der katalanische Premier Puigdemont. Das Gesetz für die Volksabstimmung wurde von allen Abgeordneten von JxSí und CUP gemeinsam unterzeichnet, um die Verantwortung so breit wie möglich zu streuen.

Die Debatte im Parlament verlief hitzig. Der in Madrid regierende Partido Popular (PP) sowie die Sozialisten und die rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) versuchten erfolglos zu verhindern, dass der Eilantrag angenommen wurde. Der juristische Beraterstab des katalanischen Parlaments erklärte, dass der Gesetzentwurf rechtswidrig sei. Die Befürworter der Unabhängigkeit ließen sich davon aber nicht einschüchtern.

Verfassungsgericht wird nicht akzeptiert

Wie es weitergehen wird, ist völlig unklar. Das spanische Verfassungsgericht sei "eine reine Extension der Regierung" erklärte die katalanische Parlamentspräsidentin Carme Forcadell. Die Richter hätten mit ihren bisherigen Entscheidungen jegliche Legitimität verloren.

"Wenn sie darauf bestehen, dass die Volksabstimmung stattfindet, ist es unsere Pflicht, dies zu verhindern", beteuert der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido. Doch was Madrid tun wird, falls die Urnen tatsächlich aufgestellt werden, darüber schweigt sich die spanische Regierung bisher aus. Im Extremfall könnte Madrid die katalanische Regierung des Amtes entheben, die Autonomiepolizei direkt befehligen oder gar die Entsendung von spanischer Polizei oder der Armee beschließen.

Die Pro-Unabhängigkeits-Bewegung Katalanische Nationalversammlung (ANC) kündigte breite Mobilisierungen für den Fall an, dass Madrid versucht, das Aufstellen der Urnen am 1. Oktober zu verhindern. (Reiner Wandler aus Madrid, 7.9.2017)