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Anton Hofreiter findet, dass seine Partei die Republik beim Dieselskandal aufgemischt hat und davon bei der Wahl profitieren wird. Hier hält er eine Wollhandkrabbe in der Hand, er hatte sich bei einer Ausfahrt auf dem Strelasund vor Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern über den Zustand der Ostsee informiert.

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STANDARD: Die Grünen sind bereit, nach der Wahl mit der SPD zu koalieren, aber auch mit der Union. Sind Sie machtversessen?

Hofreiter: Nein, aber wir sind darauf versessen, Dinge zu verändern, weil uns die Zeit davonläuft. Kanzlerin Merkel stellt ihre Politik, die de facto Stillstand bedeutet, gerne als alternativlos dar. Das ist sie aber nicht. Besonders in der Klimapolitik muss Deutschland endlich Fahrt aufnehmen. Seit Merkel an der Macht ist, ist Deutschlands CO2-Ausstoß nicht gesunken. Unsere Wähler wissen, dass uns die SPD näher ist. Aber für Rot-Grün wird es nicht reichen. Deswegen reden wir nach der Wahl auch mit CDU/CSU und über Rot-Rot-Grün.

STANDARD: Machen Sie sich dadurch nicht beliebig?

Hofreiter: Die Grünen sind die Partei, die die zwanzig schmutzigsten Kohlekraftwerke abschalten will, Rüstungsexporte in Krisenregionen verhindern will und für einen solidarischen Umgang in Europa eintritt. Das sind klare Forderungen, kein Schmusekurs.

STANDARD: Wir rocken Deutschland, hat Ihre Fraktionskollegin und Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt auf dem Wahlparteitag versprochen. Rockt es irgendwo, oder ist Ihr Wahlkampf so öde wie der von Kanzlerin Angela Merkel?

Hofreiter: Unsere Veranstaltungen sind krass voll, voller als erwartet. In einigen Punkten haben wir die Republik kräftig aufgemischt. Denken Sie an die Auseinandersetzung mit der Autoindustrie und den Kampf um zukunftsfähige Antriebe.

STANDARD: Der Dieselskandal ist eigentlich ein Geschenk für die Grünen. Warum schlägt sich das in Umfragen nicht nieder? Sie liegen bei acht Prozent, also auf dem Niveau der vergeigten Wahl 2013.

Hofreiter: 2013 konnten wir nicht zufrieden sein, wir sind auch mit den Umfragen jetzt nicht zufrieden. Aber es dauert oft vier bis acht Wochen, bis sich manche Themen durchschlagen. Das kommt noch. Die Autoindustrie hat mithilfe dieser Bundesregierung betrogen. Sie muss auf ihre Kosten technisch nachrüsten, damit die Autos so sauber sind wie versprochen. Ich rechne mit einem zweistelligen Ergebnis und Platz drei für die Grünen.

STANDARD: Für viele ist im Wahlkampf die Steuerpolitik das wichtigste Thema. Sie wollen Superreiche belasten. Warum aber nennen Sie keine Zahlen, wen es treffen wird?

Hofreiter: Weil Steuermodelle äußerst komplex sind und man die genaue Ausgestaltung am besten trifft, wenn man das Finanzministerium innehat und so alle Daten und Instrumente zur Hand hat. 2013 war unser Steuerkonzept so kompliziert, dass viele Leute sich etwas Falsches ausgerechnet haben. Das war nicht gut. Wir finden aber, Leute mit mehreren Millionen auf dem Konto können durchaus etwas mehr Verantwortung tragen.

STANDARD: Oder wollen Sie es sich nicht mit CDU/CSU verscherzen, die diese Steuer strikt ablehnen?

Hofreiter: Wir haben klare grüne Ziele. Darauf richtet sich unser Programm aus, nicht auf die Präferenzen anderer Parteien.

STANDARD: Bei der CSU meinen viele immer noch, die Grünen seien versponnene Weltretter, aber hätten von Politik keine Ahnung.

Hofreiter: Wir müssen die Klimakrise in den Griff bekommen. Und ja, deswegen haben wir natürlich den Weltretter-Anspruch. Auch wenn das ein wenig pathetisch klingt. Die CSU dagegen beweist ja immer wieder, dass ihr die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen ziemlich wurscht ist.

STANDARD: Grüne und CDU/CSU haben schon nach der Wahl 2013 kurz sondiert, aber es kam zu keinen Verhandlungen. Warum könnte es vier Jahre später klappen?

Hofreiter: Damals waren CDU/CSU zu fast keinem Zugeständnis bereit. Nur beim Fracking und bei der Gentechnik hatten sie kleine grüne Korrekturen angeboten. Bei grundlegenden Fragen im Klimaschutz, der Landwirtschaft und der Mobilität gab es aber keinerlei Bereitschaft, etwas zu tun. Das war dreist und ging nicht. Auch diesmal ist klar: Wenn sie nicht bereit sind, sich zu bewegen, dann wird das nichts, und wir gehen in Opposition (Birgit Baumann, 7.9.2017)