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Die Deichmann-Gruppe beschäftigt weltweit 38.000 Mitarbeiter.

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Heinrich Deichmann führt den Schuhkonzern aus Essen bereits in dritter Generation.

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Wien – Stiefelkönig schließt seine letzten Filialen, Humanic verzeichnete heuer erstmals nach sieben Jahren Gewinn. Während heimische Schuhkonzerne mit dem Onlinehandel kämpfen, erzielte Deichmann 2016 mit einem Umsatz von 248 Millionen Euro in Österreich ein Rekordjahr. Die Unternehmensgruppe beschäftigt weltweit 38.000 Mitarbeiter und erreichte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 5,6 Milliarden Euro. Der 1913 gegründete Billigschuhhändler befindet sich zu 100 Prozent im Familienbesitz.

STANDARD: Sie haben Philosophie und Theologie studiert. Hilft Ihnen das im Verkauf?

Deichmann: Man hat einen breiteren Horizont, das ist ein großer Nutzen beim Führen eines Unternehmens. Ich habe so gelernt, Entwicklungen, die am Markt und in der Gesellschaft stattfinden, aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.

STANDARD: War für Sie von Anfang an klar, dass Sie Deichmann übernehmen?

Deichmann: Ja. Ich wollte schon sehr früh die Nachfolge meines Vaters antreten. Einerseits, weil ich gesehen habe, dass er ein erfolgreicher Unternehmer ist, aber auch, weil ich gesehen habe, dass er damit viel Gutes tut. Damit konnte ich mich identifizieren.

STANDARD: Wollen Ihre Kinder den Familienbetrieb fortführen?

Deichmann: Ja, es gibt begründete Hoffnungen, dass es eine vierte Deichmann-Generation geben wird. Und zwar, ohne dass ich irgendeinen Druck ausgeübt habe.

STANDARD: Durch Kooperationen mit Stars will Deichmann das Billig-Image abschütteln. Gelingt das?

Deichmann: Testimonials helfen uns, unsere Produkte und unseren Namen aufzuladen. Wir bekommen mehr Aufmerksamkeit und Image-Abstrahleffekte. Die Verbindung mit Stars macht uns noch glaubwürdiger.

STANDARD: Nachhaltigkeit scheint in der Gesellschaft wichtiger zu werden. Können Sie mit Zehn-Euro-Schuhen mithalten?

Deichmann: Unser Durchschnittspreis liegt bei 22 Euro. Nachhaltig heißt für uns, dass unsere Produkte unter menschenwürdigen und umweltverträglichen Bedingungen hergestellt werden. Wir haben vor Jahren einen Code of Conduct erlassen, der nach den Maßstäben der ILO (Internationale Arbeitsorganisation, Anm.) aufgestellt wurde und von unabhängigen Instituten regelmäßig überprüft wird. Wir können und wollen nicht Menschen ausbeuten, um günstige Preise zu erzielen.

STANDARD: ILO-Richtlinien sind Mindeststandards. Als 100-prozentiger Eigentümer könnten Sie weiter gehen. Wieso tun Sie das nicht?

Deichmann: ILO-Standards sind Richtwerte. Unser Code of Conduct ist viel konkreter. Wir haben Standards definiert, die wir für vernünftig halten. Am Ende des Tages darf man nicht verlangen, dass die Arbeitsbedingungen inklusive Bezahlung genau so sind wie in Europa. Damit würde man verhindern, dass überhaupt Schuhe in solchen Ländern produziert werden. Gewisse Länder haben eben komparative Kostenvorteile, dazu gehören auch Arbeitskosten.

STANDARD: Können solche Standards bei 173 Millionen produzierten Schuhen pro Jahr überall eingehalten werden?

Deichmann: Für uns tätige Fabriken werden von mehreren Prüfungsinstituten überwacht. Wenn die Zustände von unseren Standards abweichen, werden die Fabriken ermahnt. Wenn die Verhältnisse bei einer weiteren Kontrolle nicht verbessert wurden, kann die Zusammenarbeit beendet werden.

STANDARD: Geht Preis vor Qualität?

Deichmann: Nein, absolut nicht. Unsere Schuhe sind nicht nur günstig, sondern qualitativ gut und günstig. Schlechte Qualität zum guten Preis ist langfristig keine Erfolgsstrategie.

STANDARD: Sie sind sehr gläubig. Ist Billigproduktion mit einem christlich-ethischen Weltbild vereinbar?

Deichmann: Ja, wenn gewährleistet ist, dass Umwelt und Menschen dabei nicht ausgebeutet werden. Wir müssen in den Spiegel schauen können, wenn wir durch die Fabriken gehen. Und das können wir.

STANDARD: Wo produzieren Sie?

Deichmann: Der Großteil unserer Schuhe wird in China produziert. Dort sind nicht nur die Arbeitskosten niedrig, Chinesen arbeiten auch irrsinnig produktiv. Es gibt außerdem eine großartige Infrastruktur. Zwei Drittel aller Schuhe weltweit werden dort hergestellt. Das, was Deutschland für die Automobilindustrie ist, ist China für die Schuhindustrie.

STANDARD: Kann man als Deichmann-Chef auch Schuhe der Konkurrenz tragen?

Deichmann: Ich bin viel im Ausland unterwegs und in Ländern, in denen wir nicht tätig sind. Wenn ich da ein interessantes Produkt sehe, kaufe ich es auch – und stelle es dann auch mal unserem Einkauf zur Verfügung, um sich davon inspirieren zu lassen. (Nora Laufer, 7.9.2017)