Dürfte beim ÖFB Schluss machen: Marcel Koller.

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Wien – Marko Arnautovic sang nach dem dürftigen 1:1 gegen Georgien noch einmal den alten Schlager "eigentlich waren wir die bessere Mannschaft". Wohl wissend, "dass es fad ist und wir viel zu wenig Punkte haben". Mit belegter Stimme wiederholte er die Strophe von der "vorhandenen Qualität" und auch jene von "wir schießen keine Tore und machen hinten Fehler". Das Ende des Liedchens lautete: "Im Fußball geht es nicht nur nach oben. Da musst du dir erarbeiten, dass du wieder zurückkommst. Da musst du Charakter zeigen." Nicht nur Arnautovic sang sich für einen Verbleib von Teamchef Marcel Koller aus, es war der gesamte Chor. Solist Arnautovic: "Der Trainer hat gute Arbeit geleistet, hat nie Schlechtes gemacht. Er steht nicht auf dem Platz, kann keine Tore schießen." Die Bekundungen der Mannschaft ändern freilich nichts am Faktum, dass neun Zähler aus acht Partien in der WM-Qualifikation ein Desaster sind.

Ein weiteres Faktum ist, dass Kollers Vertrag im Dezember ohnedies endet. Er selbst hinterlässt den Eindruck, eine Veränderung anzustreben. Es muss mit dem Fußballbund das Szenario ausverhandelt werden. Geld ist ein Teil des Spiels. ÖFB-Präsident Leo Windtner rechnet mit "einem klärenden Gespräch in der nächsten Woche". Am 15. September findet in Gmunden eine Präsidiumssitzung statt. "Dort werden die Weichen gestellt." Abgesehen davon seien die Solidaritätsbekundungen der Spieler "sicher ein Beleg dafür, dass das Verhältnis gut ist. Allerdings hätten sie es selbst in der Hand gehabt, eine prekäre Situation zu vermeiden". Konkret geht es eigentlich darum, ob Koller die beiden letzten, sinnbefreiten Partien am 6. Oktober daheim gegen Serbien und drei Tage später in Moldau noch absitzt.

Der Teamchef war am Dienstagabend äußerlich und innerlich geknickt, er redete sich kurz vor Mitternacht im Medienzentrum des Happel-Stadions den Frust von der Seele. Er hatte sich im Griff – Enttäuschung in Würde.

Die Bilanz seit Oktober 2015, seit dem 3:0 gegen Liechtenstein zum Abschluss der vorzüglichen EM-Qualifikation, hat allerdings mit Würde nur am Rande zu tun, sie ist einfach grottenschlecht: 18 Spiele, vier Siege, sechs Remis, acht Niederlagen, Torverhältnis 18:23. Die Erfolge wurden gegen Albanien, Malta, Georgien und Moldau erzielt.

Koller saß also im Happel-Stadion, forschte nach Ursachen, gab Allgemeines von sich. "Wenn man ein Ziel nicht erreicht hat, tut das weh. Ich brauche dann ein paar Tage, bis ich das verarbeitet habe. Wenn man 40 Jahre im Fußball ist, hat man nicht nur Erfolge", sagte der 56-jährige Schweizer.

An der Sonne

Möglicherweise habe das Dilemma gerade im Moment des größten Erfolges begonnen. "Wenn man erfolgreich ist und einem jeder auf die Schultern klopft, denkt man, es geht so weiter, man muss nichts mehr tun. Aber das ist ein Trugschluss. Man muss noch mehr tun, wenn man an der Spitze ist, denn von unten stoßen noch mehr nach, die auch an der Sonne sein wollen. Jeder muss vor seiner eigenen Tür kehren." Man habe, um den Fußball aufs Simple zu reduzieren, "zu wenig Tore und zu viele Fehler gemacht." Über die persönliche Zukunft äußerte sich Koller nur vage, er werde alles sacken lassen und sich dann mit Windtner zusammensetzen. "Ich weiß ja gar nicht, was der ÖFB will." Er besitze keine Angebote von Vereinen, was ihn aber nicht beunruhige: "Im Herbst ist auf dem Markt nicht so viel los, die Ligen haben erst begonnen. Im November, Dezember, Jänner tut sich was. Ich erkenne keine Müdigkeit, dass ich sage, ich bin leer oder ausgepumpt. Ich liebe den Fußball, kann sieben Tage die Woche mit Fußball arbeiten, und mir wird nicht langweilig."

Den Spielern mache er keinen Vorwurf, "sie haben gegen Georgien alles versucht". 2011 habe er das Angebot des ÖFB auch deshalb angenommen, "weil die Mannschaft Qualität hat". Die habe sie nach wie vor. Und: "Es tut weh, wenn man Ziele nicht erreicht." Ende des Liedes. (Christian Hackl, 7.9.2017)