Hatten Sie einen schönen August? Meiner war nicht so toll. Die Zeitung, für die ich zwei Jahre lang arbeitete, ein angesehenes Qualitätsblatt, hat die Zusammenarbeit mit mir eingestellt. Das ist bereits das zweite Mal, dass mir so etwas wegen meiner politischen Einstellungen passiert ist – von anderen Einschüchterungsversuchen in meiner akademischen und journalistischen Laufbahn ganz zu schweigen.

Interessanterweise war es diesmal eine Oppositionszeitung, die befand, dass ich vom politischen Kurs des Blatts zu sehr abweichen würde. Die Mitglieder des Aufsichtsrats, die mich vor zwei Jahren einluden, für ihre Zeitung zu schreiben, sitzen derzeit im Gefängnis, weil die Erdogan-Partei sie des Hochverrats bezichtigt. Sie sind die Opfer einer schwindenden Gedanken- und Meinungsvielfalt in der Türkei unter Erdogan. Trotzdem hatten Kollegen, die nachrückten, kein Problem damit, mich für meine politischen Ansichten zu bestrafen: Sie haben mich gefeuert.

Seit über zwei Jahrzehnten bringe ich meine politischen Ansichten zum Ausdruck. Ich sehe mich als eine Linksliberale, die sowohl kemalistisch-autoritäre als auch islamistisch-autoritäre Politik strikt ablehnt. Da ich zu keinem etablierten politischen Zirkel gehöre, bin ich schwer einzugliedern. Beide Seiten haben mich bereits über den Klee gelobt und wüstest beschimpft.

Zwischen allen Stühlen

Die Islamisten applaudierten frenetisch, als ich in den 1990er-Jahren gegen das Kopftuchverbot in öffentlichen Gebäuden antrat. Damals war eine säkulare Alleinregierung an der Macht, die vom Militär unterstützt wurde. Dann, als die Islamisten an die Macht kamen, verteufelten mich deren Anhänger, weil ich es wagte, ihre autoritären Anwandlungen und ihre Kurdenpolitik zu kritisieren. Die Kurden wiederum mochten mich für meine Kritik an Erdogans Kurdenpolitik – aber nur bis zu dem Zeitpunkt, als ich sie dafür kritisierte, dass sie den Waffenstillstand mit der Türkei kündigten.

Nein, es geht mir keineswegs darum, mich als politisch unantastbar darzustellen. Ich glaube auch nicht, dass alle politischen Parteien und Zirkel per se autoritär sind und dass sie sich in nichts unterscheiden. Im Gegenteil: Ich hasse diese Art der Selbstgerechtigkeit, sie ist häufig Begleiterscheinung eines zu großen Egos, das viele Intellektuelle in der Türkei haben. Dennoch steht mein Fall durchaus symptomatisch für die aktuelle politische Atmosphäre in der Türkei. In einer derart gespaltenen Gesellschaft ist es unmöglich, sachliche und ergebnisoffene Diskussionen zu führen.

Eine repressive Regierung und ein schlechter Umgang mit politischen Differenzen schaffen einen dringenden Bedarf nach demokratischen und politischen Reformen. Mangel an Respekt gegenüber Individualismus und individuellen Freiheiten ist nicht nur ein Markenzeichen der Regierungspartei. Auch die Opposition in unserer Gesellschaft neigt zu dieser Haltung. Dieser Umgang mit politischen Gegnern in der Türkei spielt letztlich nur den Herrschenden in die Hände, weil er autoritäre Politik gegenüber Oppositionellen legitimiert.

Ich bin mir nicht sicher, ob der Aufstieg des Autoritarismus das Ergebnis politischer Engstirnigkeit und politischer Intoleranz auf beiden Seiten ist – oder ob der Autoritarismus politische Engstirnigkeit und politische Intoleranz vorantreibt. Fest steht: Beide spielen einander in die Hände und schaffen ein Klima, in dem politischer Diskurs unmöglich wird. (Nuray Mert, 8.9.2017)