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Hanns Martin Schleyer, der "Boss der Bosse", hatte auch eine SS-Vergangenheit. Er wurde im September 1977 in Köln entführt

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Berlin – Am Schluss, als alles vorbei war, weinte der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt vor Erleichterung. "Die Arbeit ist erledigt", hatte ihm zuvor, am 18. Oktober 1977, der damalige Kanzleramtsminister Hans-Jürgen Wischnewski per Telefon mitgeteilt.

Das bedeutete damals: 86 Geiseln waren in der somalischen Hauptstadt Mogadischu aus der Lufthansa-Maschine Landshut befreit worden. Diese war zuvor von palästinensischen Terroristen entführt worden, um die in Stuttgart-Stammheim inhaftierte Führungsriege der RAF (Rote Armee Fraktion) freizupressen.

Schleyer-Entführung

Als der Plan nicht aufging, begingen die RAF-Leute Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe Selbstmord, ihre Gesinnungsgenossen ermordeten den damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Dieser war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 5. September "Gefangener der RAF". Seine Entführung war der Beginn des "Deutschen Herbstes" – jener Wochen im September und Oktober 1977, in denen der linke Terror Deutschland erschütterte und an seine Grenzen brachte. Aber der Staat habe sich "nicht erpressen lassen", wie der jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betont.

In Deutschland wird 40 Jahre später nicht nur der Ereignisse von damals gedacht, sondern auch der RAF-Terror von 1977 mit dem islamistischen Terror von heute verglichen. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) meint: "Beiden gemeinsam sind die blinde Entschlossenheit, die Selbstermächtigung zur Gewaltausübung und die Existenz einer Unterstützerszene."

Spiel mit den Medien

Auch der Extremismusforscher Eckhard Jesse sagt zum STANDARD: "Es gibt Parallelen zwischen RAF und IS. Die RAF wollte, dass der Staat überreagiert, der IS zielt ebenfalls darauf ab." Zudem spiele der IS heute genauso mit den Medien wie damals die RAF. Jesse: "Jeder Bericht über ein Attentat sollte beziehungsweise soll die Zahl der Anhänger mehren."

Doch der Politologe weist auch auf Unterschiede hin: "Bei der RAF gab es keine Selbstmörder." Und während islamistische Terroristen "jeden treffen wollen", habe es die RAF damals gezielt auf Repräsentanten des Staates und der Wirtschaft abgesehen – wenngleich der Tod von Unbeteiligten in Kauf genommen wurde. So starben bei der Entführung Schleyers sein Fahrer und drei Personenschützer. Sie zählen zu den "vergessenen" Opfern der RAF.

Selbstauflösung im Jahr 1998

Die RAF erklärte 1998 ihre Selbstauflösung, dass es irgendwann noch einmal eine neue Generation geben könne, gilt in Deutschland als ausgeschlossen. Doch Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat nach den Ausschreitungen von Linksextremen beim G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg gewarnt. "Wir haben in Deutschland eine sehr starke linksextremistische Szene mit rund 28.000 Personen, davon 8500 gewaltorientierte Extremisten, deren Zahl wächst", sagte er.

Seine Beschreibung erinnert dennoch an die RAF: "Linksextremisten qualifizieren den Staat und die Polizei als Instrumente der Repression und Unterdrückung, gegen die jede Gewalt zugelassen ist." Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach sehen mittlerweile 44 Prozent der Deutschen im Linksextremismus ein großes Problem. Im Herbst 2016 waren 21 Prozent dieser Meinung gewesen. (Birgit Baumann, 9.9.2017)