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Genf / Rangun / Dhaka – Die Vereinten Nationen haben das Vorgehen Myanmars gegen die muslimische Minderheit der Rohingya scharf verurteilt. "Die Situation scheint aus einem Lehrbuch für 'ethnische Säuberungen' zu stammen", sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra'ad al-Hussein, am Montag.

Er rief die Regierung auf, die "brutale Militäroperation" zu beenden, die Verantwortung für die Gewalt zu übernehmen und die schwere Diskriminierung der Rohingya einzustellen. Der Einsatz in der Provinz Rakhine sei eindeutig unverhältnismäßig gegenüber den Angriffen von Aufständischen im vergangenen Monat.

Deutschland zeigt sich besorgt

Auch die deutsche Bundesregierung appellierte an die Führung in dem südostasiatischen Land, ihrer Verantwortung für alle Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden. "Das erwarten wir gerade auch von der Friedensnobelpreisträgerin und Staatsrätin Aung San Suu Kyi", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Die Bundesregierung beobachte die Entwicklung in Myanmar mit sehr großer Sorge, sagte Seibert. Alle Seiten seien dazu aufgerufen, den Konflikt friedlich beizulegen. Der Druck auf De-Facto-Regierungschefin Suu Kyi steigt, sich stärker für ein Ende der Gewalt einzusetzen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin gibt es derzeit aber keine konkreten Pläne für Sanktionen gegen die Regierung Myanmars. Das Entwicklungsministerium erklärte, dass deutsche Hilfsprojekte wegen der Eskalation der Gewalt in der Region derzeit ruhen.

300.000 Rohingya seit Ende August auf der Flucht

Rund 300.000 Rohingya sind nach Angaben der Regierung Bangladeschs seit Ende August aus Myanmar in das Nachbarland geflohen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR schätzte die Zahl am Sonntag auf 294.000. Zehntausende überqueren demnach weiterhin täglich die Grenze.

Die meisten haben dabei einen tagelangen Fußmarsch hinter sich, sind erschöpft und hungrig. Da die Flüchtlingslager voll sind, errichten die Rohingya entlang der Straßen, an Berghängen und im Wald provisorische Unterkünfte aus Bambus und Kunststoffplanen.

Im Bezirk Cox's Bazar im Süden Bangladeschs lebten in armseligen Camps bereits vor den Neuankünften rund 400.000 Angehörige der muslimischen Minderheit, die vor früheren Gewaltausbrüchen in Myanmar geflüchtet waren. Bangladeschs Regierung kündigte an, mehr Land zur Verfügung zu stellen.

Die Rohingya-Rebellengruppe Arsa hatte am Sonntag einseitig eine einmonatige Waffenruhe ausgerufen, um Helfern zu ermöglichen, zu den im Nordwesten Myanmars Verbliebenen vorzudringen.

Häuser niedergebrannt, Familienangehörige erschossen

Die jüngste Gewaltwelle hatte am 25. August mit Angriffen einer Rohingya-Rebellengruppe auf Polizei- und Militärposten in Myanmars Bundesstaat Rakhine begonnen. Die Armee antwortete nach eigenen Angaben mit einer "Räumungsoperation". Geflüchtete berichteten, dass ihre Häuser niedergebrannt und Familienangehörige erschossen worden seien. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf der Regierung am Wochenende vor, an der Grenze zu Bangladesch verbotene Landminen eingesetzt zu haben.

Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya werden im vorwiegend buddhistischen Myanmar nicht als Staatsbürger anerkannt. Am Sonntag erklärten die Rebellen eine sofortige, einmonatige Waffenruhe aus humanitären Gründen.

Dalai Lama betroffen: Buddha hätte Rohingya geholfen

Während Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi international in Kritik geraten war, zeigte sich der Dalai Lama traurig über die Gewalt im buddhistischen Myanmar. "Die Menschen, die Muslime schikanieren, sollten an Buddha denken", sagte das geistliche Oberhaupt des tibetischen Buddhismus am Wochenende vor Reportern am Flughafen der indischen Stadt Dharamsala, wo der 82-Jährige im Exil lebt.

"In einer solchen Situation hätte Buddha definitiv diesen armen Muslimen geholfen." Es sei "sehr traurig", fügte der Friedensnobelpreisträger hinzu.

Auschwitz-Überlebende verurteilen Verfolgung d

Das Internationale Auschwitz-Komitee hat die gewaltsame Vertreibung der Rohingya aus Myanmar scharf verurteilt. "Auschwitz-Überlebende in aller Welt sind entsetzt und traurig über die Bilder, die sie aus Myanmar erreichen und die die ethnischen Säuberungen, mit denen die Rohingya gedemütigt, gemordet oder vertrieben werden, vor die Augen der Welt stellen", teilte das Komitee am Montag mit.

"Sie sind dankbar, dass die Vereinten Nationen jetzt das, was in Myanmar geschieht, deutlich benennen: als eine ethnische Säuberung, die ohne den Aufschrei der Welt in weiteren Massenmorden münden wird", hieß es weiter. "Für Überlebende von Auschwitz zieht mit diesen Bildern von gehetzten und fliehenden Frauen und Kindern sowie brennenden Häusern eine dunkle Wand der Erinnerung auf. Es bestürzt sie sehr, dass Verbrechen wie die, die an den Rohingya verübt werden, in der heutigen Welt immer noch und offensichtlich immer wieder möglich sind", teilte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner mit. "Besonders bedrückt sie in diesem Zusammenhang auch das Schweigen einer Trägerin des Friedensnobelpreises." (APA, Reuters, red, 11.9.2017)