Washington/Wien – Die gläserne Decke ist nicht zerbrochen: Für die Demokratin Hillary Clinton endete der Präsidentschaftswahlkampf 2016 am 8. November mit einer Niederlage gegen ihren republikanischen Rivalen Donald Trump. Seitdem hat man nicht viel von ihr gehört. Mit dem Buch "What Happened" ("Was geschah"), das am Dienstag erscheint, begibt Clinton sich zurück ins Rampenlicht.

Weg von der Öffentlichkeit

Monatelang sah man Clinton nur vereinzelt bei Events, beispielsweise bei Trumps Amtseinführung am 20. Jänner oder Ende März bei der Preisverleihung der "2017 Hillary Rodham Clinton Awards für den Fortschritt von Frauen in Frieden und Sicherheit" an der Georgetown University in Washington.

Im Mai schien es aber wieder an der Zeit, ihren Blick der Zukunft zuzuwenden: Ende des Monats gründete sie die politische Organisation "Onward Together" (Gemeinsam vorwärts), deren Ziel es sei, "Menschen dazu zu motivieren, sich politisch zu beteiligen oder gar für ein politisches Amt zu kandidieren", wie Clinton auf Twitter schrieb. Der Titel der Organisation ist eine Anlehnung an "Stronger Together" (Gemeinsam stärker), ihren Wahlslogan während der Präsidentschaftskandidatur. Außerdem widmete sie sich der Aufarbeitung ihrer Erlebnisse im Wahlkampf, die sie in "What Happened" niederschrieb.

Abrechnung oder Vorwärtsdenken?

In dem Buch versucht sie nun zu erörtern, was zu ihrer Niederlage bei der Präsidentschaftswahl geführt hat. Es gehe ihr nicht um Schuldzuweisungen, so Clinton, der ebendas mehrmals vorgeworfen wurde. Auch nicht darum, an der Vergangenheit hängenzubleiben. Vielmehr sei es ein Versuch, durch Selbstreflexion zu verstehen, was passiert sei.

Hillary Clinton sprach Anfang Juni bei der "Book Expo" in New York über ihr Buch "What Happened".
Foto: AFP/Angela Weiss

Für den Geschmack vieler Kritiker wie Jonathan Tasini, Clintons Hauptgegner bei der Senatswahl 2006, kommen in "What Happened" zu viele Anschuldigungen vor, um das Buch als reine Selbstreflexion zu sehen. Wie das Magazin Politico schrieb, nannte Tasini das Werk ein "Alle-anderen-sind-schuld-Buch". Sowohl Russland als auch das FBI, den ehemaligen Präsidenten Barack Obama und ihren Konkurrenten in den demokratischen Vorwahlen, Bernie Sanders, sieht Clinton als mitverantwortlich für ihren Misserfolg an. Auf mögliche Wahlmanipulationen aus Moskau kommt Clinton ebenso zu sprechen wie auf den ehemaligen FBI-Chef James Comey und seine Ermittlungen in Clintons E-Mail-Affäre. Diese waren wenige Tage vor der Wahl wieder aufgerollt worden und ihr zufolge einer der schwerwiegendsten Gründe für ihre Niederlage.

Sanders, der sich besonders bei der jüngeren Generation großer Beliebtheit erfreute, habe es viel schwerer gemacht, die Progressiven hinter sich zu vereinigen. Der eigentlich parteilose Senator für Vermont, der für den Wahlkampf kurzzeitig als Demokrat eingetragen war, hatte Clinton in den Vorwahlen scharf für ihre angeblichen Verbindungen zur Wall Street kritisiert. Diese Angriffe hätten "bleibende Schäden hinterlassen", die sie nicht mehr habe ausgleichen können. Dass Obama ihr auf Sanders Angriffe hin geraten habe, sich zurückzuhalten, sieht Clinton im Nachhinein ebenfalls als Hindernis: "Ich habe mich gefühlt wie in einer Zwangsjacke", so die ehemalige First Lady.

Senatoren als zukünftige Spitze der Demokraten

Während einige denken, dass Clinton nicht loslassen kann und in einer vergangenen Welt lebt, die sie sowieso nicht mehr ändern kann, meinen viele Unterstützer der Demokratin, dass genau das Gegenteil der Fall sei. Denn man müsse die Vergangenheit verstehen, um es in der Zukunft besser zu machen. Die Zukunft der Demokratischen Partei sei sie dennoch nicht, sagt Neil Sroka, Kommunikationschef des Komitees Demokratie für Amerika (DFA), das vom ehemaligen Vorsitzenden des Democratic National Committee, Howard Dean, gegründet wurde.

Das DFA-Komitee hat sich in der Vergangenheit bereits für mehrere Senatoren und US-Präsidenten ausgesprochen und sie unterstützt, Clinton war keine davon. Für die Präsidentschaftswahl sprach die Organisation dem Kandidaten Sanders Unterstützung zu. Ihn oder die Senatorinnen Kamala Harris (Kalifornien) und Elizabeth Warren (Massachusetts) sieht Sroka zukünftig an der Spitze der Partei. "Hillary Clintons Meinung ist wertvoll. Aber was sie – Sanders, Harris und Warren – zu sagen haben, würde mich viel mehr interessieren." (Carla Márquez, 12.9.2017)