Es gibt Orte, die anders sind. Weil man sich dort anders fühlt. Anders ist, anders atmet, anders lebt – und anders denkt. Man kann diese Orte nicht finden: Sie kommen zu einem. Meistens sind es Punkte, manchmal auch Gegenden, Regionen – oder, wie in diesem Fall: ein Weg. Eine Laufstrecke. Nein, ich rede hier nicht von "Lieblingsrunden" oder "Stammstrecken", sondern von etwas anderem. Von einem Gefühl, für das ich keinen Namen habe. Aber es ist da, sobald ich dort bin. Auf dieser Strecke. Zur richtigen Zeit. In diesem Fall ist es "meine" Sonnenaufgangsrunde auf einer einfachen, aber umso schöneren Trailstrecke an der Südspitze Sardiniens. Irgendwo zwischen Villasimius und dem alten, verfallenen Leuchtturm von Capo Boi.

Foto: Thomas Rottenberg

Ich war hier schon öfter. Beruflich. Aber abgesehen davon haben der Lauf und die Route und das Sonnenaufgangsherzausreißerfeeling nichts mit meinem Job zu tun: Laufen kann man schließlich überall und immer. Und wenn man einen normalen Arbeitstag vor sich hat, muss man dafür halt mitunter früher raus. Oder eben sehr früh: Solche Sonnenaufgänge, solche Augenblicke kann man nicht kaufen – man muss sie einfach abholen. Sie kosten nichts – und genau das macht sie wertvoll. Sie sind unbezahlbar – und noch schöner, wenn man sie nicht allein erlebt. Das finden Sie kitschig? Ich auch. Na und?

Foto: Thomas Rottenberg

Diesmal war ich freiwillig hier – auf Urlaub. Für meine Freundin war es das erste Mal auf Sardinien. Und auch wenn sie die Bilder von hier bereits kannte – und mir jedes Mal, wenn ich ihr Fotos von Hammer-Sonnenaufgängen vom Trail hinauf zum alten Leuchtturm nach Wien geschickt hatte, allerlei Böses und Bedrohliches zurückgemailt hatte –, konnte ich den Impact dieser Wow-Momente vor Ort dann bei jedem Schritt in ihrem Gesicht ablesen.

Hatten wir beim Aufstehen noch unisono geflucht und gematschkert, war ich doch eindeutig im Vorteil gewesen: Ich wusste ja – zumindest in etwa – was kommen würde. Sie hatte nur meine Erzählungen. Und die sind zu nachtschlafender (Urlaubs-)Zeit ziemlich genau nix wert. Schon gar nicht, wenn die ersten Meter relativ steil bergauf gehen – und man die falschen Schuhe anhat.

Foto: Thomas Rottenberg

Die Sache ist nämlich die: Herzdame ist eine ganz normale Läuferin. Mit ganz normalen Schuhen. Im Gegensatz zu den Freaks rund um mich läuft sie einen stinknormalen Allerweltslaufschuh, den Asics Nimbus – und ist glücklich damit. Den Schuh hat ihr Jürgen Wukowits bei Run Inc irgendwann einmal nach einer halben Stunde Hin-und-her-Gelaufe mit etlichen anderen Schuhen über die Sensorplatte im Laden in die Hand gedrückt. Mit dem Versprechen, dass ihr Laufen von nun an anders – leichter, schmerz- und beschwerdefrei – sein würde. Und weil das zu 100 Prozent zugetroffen ist, läuft sie seither eben diesen einen Schuh. Bei Sonne und Regen, auf Asphalt und im Wald – und jetzt eben auch am staubigen sardischen Trail. Weil das natürlich schon auch geht – wenn auch mit Abstrichen: Die Trittsicherheit mit einem stark gepolsterten, weichen Schuh mit Straßensohle auf losem, rutschigem und sandig-schottrigem Untergrund ist enden wollend leinwand. Und besonders bergab ist das Laufen mit so einem Schuh im Gelände dann weder safe noch lustig.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber: Natürlich geht es. Wenn man will – oder (noch) keinen anderen, spezielleren Schuh hat. Einen Schuh wie den Cloudventure Peak von On-Running zum Beispiel. Den hatte mir die PR-Abteilung des Schweizer Laufsportlabels zufällig und punktgenau zum Sardinien-Trip auf den Tisch gelegt. Den Kult um die Schuhe der 2010 gegründeten Marke hatte ich bisher nur am Rande mitbekommen. Aber es hatte sich bisher einfach nie ergeben, dass ich selbst einen dieser Schuhe gelaufen wäre. Obwohl mich die Legende natürlich fasziniert hatte: On-Schuhe sind nämlich die eierlegende Wollmilchsau des Laufens. Sagt jedenfalls die On-PR: Weil die Schuhe, sagt man zumindest bei On, das ewige Dilemma aller Laufschuhe lösen: Das Problem, dass ein Schuh, der beim Auftritt den Impact schön weich und sanft abfedert, beim Abdrücken dann blöderweise immer noch weich und sanft ist nämlich – und so enorm viel Energie schluckt.

Oder – umgekehrt – dass minimale Dämpfung und Federung zwar wenig Energie "schlucken", man beim härteren Auftreten, speziell bei höherem Tempo und längerem Läufen, aber irgendwann glaubt, dass Ferse oder Mittelfuß bis zum Schlüsselbein durchschlagen. Oder so ähnlich.

Foto: Thomas Rottenberg

Die Gründer von On-Running, der dreifache Duathlon Weltmeister und mehrfache Ironman-Sieger Olivier Bernhard sowie seine Freunde David Allemann und Caspar Coppetti, aber sagen, dass sie gemeinsam mit einem Schweizer Ingenieur 2010 das Ei des Columbus gefunden oder entwickelt haben. Sie nennen die Technologie "Cloud Tec" und sprechen von einem Laufen wie auf Wolken. Vereinfacht gesagt, versprechen die On-Macher, eine Landung "wie auf Sand" auf den flexiblen Cloud-Elemente, die – so die Hersteller – vertikale und horizontale Kräfte abfedern und den Läufer sanft in den Schritt gleiten lassen. Durch den Impact verschließen sich die Cloud-Elemente allerdings. Sie "werden hart und bieten eine feste Unterlage für einen kraftvollen, sicheren Abstoß wie auf der Laufbahn. Dein natürlicher Bewegungsablauf wird nicht beeinflusst."

Klingt gut – und muss auch was können. Sonst hätten die Schweizer seit 2010 nicht nur nicht etliche Preise eingeheimst, sondern wohl auch nicht 2.500 Laufschuhshops in mehr als 50 Ländern gefunden, die ihre Schuhe verkaufen, und Firmenniederlassungen unter anderem in den USA und Japan gründen können. Freilich: Laufen muss man auch in den Wunderschuhen immer noch selbst.

Foto: Thomas Rottenberg

Als "normaler" Wettkampf- und Straßenlaufschuh sind On-Schuhe mittlerweile ein fixer Bestandteil auf den meisten Laufstrecken. Mit speziellen Trail-Laufschuhen ist das Label aber noch nicht ganz so lange am Markt präsent. Wohl auch deshalb landete dann just der Cloudventure Peak bei mir: Ein leichter Wettkampfschuh, dem die Hersteller – ganz Schweizer – geradezu magische Fähigkeiten in seiner Spezialsohle zusprechen: "Das patentierte On-Speedboard. Es sorgt für explosive Vorwärtsbewegung beim Aufstieg und schützt die Füße auf unebenen Strecken – eine Art Schweizer Messer für deine Füße." Ein Victorinox unter jedem dem Fuß beim Laufen? Ein interessanter Film im Kopf …

Aber die Sache ist – no, na – natürlich anders gemeint: Es geht hier um die speziellen Gripprofile ebenso wie um die Schutzkappen an Fersen und Zehen und die unsichtbar verklebten Verstärkungen im Obermaterial. Features, die den Schuh zwar robust, mit 290 Gramm (US M 8,5 – meine habe ich in Sardinien nicht wiegen können) aber doch zu einem echten Leichtgewicht auf dem Trail machen.

Foto: Thomas Rottenberg

Klingt alles super. Aber ob das beim Laufen dann auch so stimmt, lässt sich nur auf eine Art rausfinden: Wenn man den Schuh anzieht – und verwendet.

Mein erster Eindruck beim Anziehen war sehr okay: Bis auf eine Stelle (linker Schuh, innen bei der obersten Öse), an der ich bei den meisten Schuhen anfangs eine Druckstelle habe, saß der orange Schlapfen wie angegossen.

Die Schnürung passte auf Anhieb – auch wenn ich den sehr dünnen und glatt wirkenden Schnürsenkeln nicht so recht traute und lieber von vornherein einen zweiten Knoten in die Bänder machte – ob zu Recht oder Unrecht, lässt sich so natürlich nicht sagen.

Foto: Thomas Rottenberg

Und dann trabten wir los: über Stock und Stein, durch Sand und Staub – und der Sonne entgegen. Der Schuh saß perfekt: kein Rutschen, kein Wackeln, kein Unsichersein. Schön direkt und ungeschönt spürte ich den Boden mit all seinen Unebenheiten, Instabilitäten und Unwägbarkeiten – aber eben doch nicht so unmittelbar, als wäre ich tatsächlich barfuß oder in Barfußlaufschuhen unterwegs: Der On-Cloudrunner ist mit sechs Millimetern Sprengung zwar ein reduzierter Schuh – spielt aber ganz bewusst nicht in diese Schiene hinein. Und ich bin – noch – nicht so weit, mich auf dieses Abenteuer einzulassen.

Foto: Thomas Rottenberg

Was Dämpfung und Abstoß anging, war ich verblüfft: Ich spürte und merkte nichts. Ich lief einfach – und war fast ein bisserl enttäuscht. Aber: Hatte ich tatsächlich geglaubt und erwartet, beim Auftreten in einen Moonboot zu schlüpfen, beim Abdruck aber das Dampfkatapult einer Flugzeugträger-Startrampe unter dem Ballen zu spüren?

Ich sah meiner Freundin zu, wie sie in ihren gepolsterten Straßenschuhen schwer arbeitete (und oft genug, speziell im steileren Gelände, im Sprunggelenk Unsicherheit erkennen ließ), und wusste mehr, als dass ich es spürte, dass es da wohl wirklich Unterschiede gab. Nur: Festmachen hätte ich sie nicht können. Bis ich – später – ein kleines Stück der Strecke in anderen Schuhen lief. Ebenfalls minimal gedämpft und mit geringer Sprengung – und perfekt für schnelle Läufe auf ebenen, flachen Böden.

Jetzt spürte ich den Unterschied: Der On fing mich tatsächlich weich und sicher auf – und schickte mich hart und energisch wieder auf die Reise. Im Gelände perfekt – ob ich das aber auf Asphalt auch so will, muss ich erst ausprobieren. Ein anderes Mal.

Foto: Thomas Rottenberg

Freilich: Ich bin alles andere als ein Experte am Trail. Darum fragte ich auch bei Ed Kramer und Eliza Kramer-Asperger nach: Die beiden betreiben mit "Traildog Running" in Wien-Liesing Österreichs ersten Traillauf-Spezialladen – und legen Wert darauf, nur Schuhe zu verkaufen, die sie selbst ausführlich getestet haben. Dem "Peak" streuen die beiden Rosen – obwohl sie es natürlich nicht schafften, sich "auf vier oder fünf Sätze zu beschränken", wie Ed schmunzelnd anmerkte: "Ich persönlich finde, dass er ein super Racingflat fürs Gelände ist, für Bergintervalle mein Lieblingsschuh. Ich habe gestern erst einen Kunden gehabt, der den Schuh – bei Schönwetter – bei den X-Terra-Weltmeisterschaften in Hawaii verwenden wird. Auch unsere Kenianer vom run2gether-Team lieben ihn für Wettkämpfe – dafür ist er auch entwickelt worden. Aber das wirklich Erstaunliche ist für mich, dass der Schuh als Sneaker auch im Alltag taugt und gefällt!"

Foto: Thomas Rottenberg

An dieser Stelle übernahm dann Eliza Kramer-Asperger, die – das nur nebenbei – auch als Designerin aktiv ist "Der Cloudventure Peak gehört seit Monaten zu meinen meistgetragenen Laufschuhen. Obwohl ich ihn zu 95 Prozent 'zweckentfremdet' nutze – das ist seinem Aussehen und seinem sowie Komfort geschuldet: Die Kombination von Look, Leichtigkeit und Dämpfung machen ihn zu meinem Lieblingsalltagsschuh. Ab und zu verwende ich ihn auch zum Laufen – da sind jedoch Sonnenschein und trockener Boden Voraussetzung: Das Obermaterial ist nicht sehr robust (aber schön!), und vom Grip her ist er meiner Meinung nach kein Laufschuh für Regen und nasse Böden. Dafür ist die Dämpfung für einen Wettkampfschuh ein Traum – selbst auf Asphalt."

Foto: Thomas Rottenberg

Mein Fazit fällt ähnlich aus: Ich habe die Läufe aus 1.001 Gründen mehr als nur genossen – und das Gefühl, da auf einer orangen Wolke in den Sonnenaufgang zu schweben, war ein Hammer. Dass ich das, was den Cloudventure Peak so besonders macht – eben die On-spezifische Dämpfung – erst im direkten Vergleich bemerkte, spricht in meinen Augen für den Schuh: weil sich das Laufen mit ihm vom ersten Augenblick an selbstverständlich anfühlte.

Das einzige Manko ist eigentlich keines: So wie Eliza Kramer-Asperger liebe ich gemütliche Sneakers als Alltagsschuhe – deshalb fürchte ich, dass der Peak in nächster Zukunft nicht all zu oft auf staubigen Trails unterwegs sein wird: Ich will ihn ja nicht unbedingt und mit Gewalt dreckig machen ... (Thomas Rottenberg, 13.9.2017)

Der On-Cloudventure Peak wird vom Hersteller mit 159 Euro ausgepreist.

Hinweis im Sinne der redaktionellen Richtlinien: Der Schuh wurde vom Hersteller für den Test zur Verfügung gestellt.


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Foto: Thomas Rottenberg