Egal, ob gerade Trocken- oder Regenzeit ist, mit Niederschlägen ist im Nationalpark Tortuguero immer zu rechnen. Deshalb wuchert alles besonders grün und üppig.

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Ein Rotaugenlaubfrosch sitzt auf dem Blatt einer Falschen Paradiesvogelblume im Nationalpark Tortuguero – einem echten Paradies.

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26 Nationalparks gibt es zu besichtigen. Tortuguero ist einer der bekanntesten, seinen Namen hat er von den Schildkröten, die von Mai bis August aus der ganzen Karibik kommen, um ihre Eier abzulegen.

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Die Hauptattraktion im Hochland ist aber – abgesehen von den imposanten Vulkanen – die Suche nach dem sagenumwobenen Quetzal-Vogel, der mit seinem grün- und scharlachroten Gefieder bereits die Azteken in Mexiko faszinierte.

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Tortuguero ist das einzige Dorf im gleichnamigen costa-ricanischen Nationalpark.

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In der Nacht hat es noch geklungen, als würde die Welt untergehen. Hart wie Reiskörner prasselte der Regen auf das Dach der Lodge. Eine Sturzflut, die den angekündigten Ausflug frühmorgens in einem offenen Boot absurd erscheinen ließ. Aber in den Tropen ist das Wetter unberechenbar – und für den Nationalpark Tortuguero, im Norden von Costa Rica gelegen, gilt das erst recht: Egal, ob gerade Trocken- oder Regenzeit ist, mit Niederschlägen ist hier immer zu rechnen. Deshalb wuchert alles besonders grün und üppig.

Aber so schnell die Wassermassen kommen, so rasch scheint auch wieder die Sonne. Dann verwandelt sich die Landschaft in eine imposante Geräuschkulisse, die nur vom Motor des Bootes Konkurrenz bekommt. In der Ferne schreien die Brüllaffen, eine Gruppe von Grünflügelaras, Papageien mit leuchtend rotem Kopf, unterhalten sich krächzend über mehrere Baumkronen hinweg, unterbrochen werden sie vom Quietschen des grünen Ibis, der seinen langen Schnabel in die Luft streckt. Ein Schlangenhalsvogel trocknet sein Gefieder auf einem schwimmenden Ast.

Tukane auf der Terrasse

Und besonders aufregend: Ein kleiner Basilisk, der sich unter den Blättern am Ufer versteckt hatte, schreckt auf und läuft blitzschnell über das Wasser. "Jetzt wisst ihr, warum er auch Jesus-Christus-Echse genannt wird", sagt der Guide, der unser Gefährt durch die engen Kanäle und Wasserstraßen des Nationalparks schifft und schon das nächste Tier entdeckt hat: Ein Rotaugenlaubfrosch sitzt regungslos auf dem Blatt einer knallroten Helikonie, seine rot-orangen Augen fixieren uns.

Costa Rica ist Natur pur. Sogar dort, wo man sie nicht unbedingt erwartet. Faultiere hängen an den Bäumen direkt am Straßenrand, Tukane, berühmt für ihre riesigen bunten Schnäbel, singen bei Sonnenaufgang auf der Terrasse, und nachmittags schwimmt ein Leguan im Pool. Rund 27 Prozent der Landesfläche stehen unter Naturschutz, und, was Touristen besonders lockt: Costa Rica gilt als sichere, wenn auch nicht billige Reisedestination. Aufgrund seiner stabilen politischen und wirtschaftlichen Lage wird das Land mit seinen 4,8 Millionen Einwohnern, die sich selbst Ticos nennen und stolz auf ihren hohen Lebensstandard sind, gern die "Schweiz Mittelamerikas" genannt.

Auf dem Wasser unterwegs

Als Christoph Kolumbus 1502 hier landete, bezeichnete er den Landstrich als "reiche Küste" und hoffte auf Gold. Aber Costa Ricas Reichtum liegt nicht unter der Erde, sondern in der unvergleichlichen Biodiversität, mit der das kleine zentralamerikanische Land, das sich zwischen Nicaragua und Panama spannt, auftrumpft.

26 Nationalparks gibt es zu besichtigen. Tortuguero ist einer der bekanntesten, seinen Namen hat er von den Schildkröten, die von Mai bis August aus der ganzen Karibik kommen, um ihre Eier abzulegen. Der Besuch lohnt das gesamte Jahr über, Mitte November bis April herrscht Trockenzeit, dann ist am meisten los. Das Areal wirkt ein wenig wie der kleine Bruder des mächtigen Amazonasbeckens. Es gibt keinen Landweg, Besucher wie Bewohner sind auf dem Wasser unterwegs.

Bedrohlich und faszinierend

Bereits die Anreise ist abenteuerlich, die Koffer werden in buntbemalte Holzboote gehievt und dann geht es auf kurvenreichen Wasseradern direkt zur jeweiligen Lodge. Es mag kitschig klingen, aber man fühlt sich ein wenig wie Klaus Kinski, der in dem Film Fitzcarraldo mit einem alten Flussdampfer in den unberührten Amazonas-Dschungel aufbricht, um ein Opernhaus zu bauen. Wie wild die Natur hier wuchert ist bedrohlich und faszinierend zugleich.

Auch im einzigen Dorf, das seit 1930 existiert und auch Tortuguero heißt, fahren keine Autos, die Einheimischen cruisen entspannt mit ihren Fahrrädern, die keine Bremsen haben und deren Sättel extrem tief sitzen. Lange Strecken legt ohnehin keiner zurück. Unter den schattigen Bäumen sind Brettspiele beliebt, jeder kennt hier jeden. Eine lässige Schläfrigkeit macht sich breit. Das Dorf ist als Anlaufstelle für Ausflüge zwar inzwischen sehr touristisch geworden, hat aber mit seinen bunten Häusern noch immer Charme.

Viel Gegend in kurzer Zeit

Costa Rica ist ideal, um in kurzer Zeit möglichst viele Landschaften zu erkunden. Während im Norden größere Hotels liegen, sind die Strände im Süden in der Nebensaison beinahe menschenleer und besonders bei Surfern beliebt. Beim Schnorchelausflug lässt sich das ganze Jahr über mit Schildkröten schwimmen. Und wer flott unterwegs ist, was die kurvenreichen Straßen nicht immer einfach machen, kann sogar an einem Tag zwei Klimazonen durchqueren: Vom schwülen Meer geht es in die gespenstisch-schönen Nebelwälder im Hochland, die etwas von klassischer Sommerfrische haben, die Tage sind warm, die Nächte angenehm kühl. Ideales Wetter, um wandern zu gehen.

Die Hauptattraktion im Hochland ist aber – abgesehen von den imposanten Vulkanen – die Suche nach dem sagenumwobenen Quetzal-Vogel, der mit seinem grün- und scharlachroten Gefieder bereits die Azteken in Mexiko faszinierte (die Federkrone Moctezumas besteht aus Quetzal-Federn) und vor allem in der Gegend von San Gerardo de Dota zu finden ist. Sein Name geht auf das aztekische Wort quetzalli zurück, das "kostbar" oder "schön" bedeutet.

Wilde Natur vor der Haustür

Auch der Quetzal bevorzugt die frühen Morgenstunden. Um halb sechs Uhr stehen alle bereit: festes Schuhwerk, wasserdichte Regenjacken und schnell noch einen Stehkaffee, um wach zu werden. "Ohne Avocados keine Quetzals", erklärt Marino Chacon, erfahrener Vogelkundler und Betreiber der Trogon-Lodge mit gemütlichen Holzhütten. Die Hochlandvögel lieben die kleinen, wildwachsenden Avocados.

Anders als erwartet, geht es nicht durch undurchdringlichen Urwald, um den seltenen Quetzal zu finden. Der Guide kurbelt das Fenster seines Autos herunter und lauscht. Direkt neben der Straße hat es sich ein Prachtexemplar bequem gemacht. Es würgt gerade einen Avocadokern hoch und spuckt ihn aus – so wird für neue Bäume gesorgt. Der leuchtend grüne Federschwanz der Männchen ist an die 60 Zentimeter lang. Er soll die Weibchen beeindrucken. Früher hat man die Quetzals gejagt, in den geschützten Arealen von Costa Rica hat sich die Population aber wieder erholt. Die Vögel fühlen sich sichtlich wohl, sind nicht einmal scheu. Das ist typisch für Costa Rica, wo die wilde Natur gleich vor der Haustür beginnt. (Karin Cerny, RONDO, 15.9.2017)