In Österreich gibt es aktuell rund 2,7 Millionen Schweine. An der einzigen Universitätsklinik für Schweine in Österreich an der Vetmed- Uni Wien werden Schweinekrankheiten erforscht.

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Andrea Ladinig ist Professorin der Uniklinik für Schweine.

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Wien – Zunehmenden vegetarischen Tendenzen zum Trotz sind die Österreicher und Österreicherinnen nach wie vor Fleischtiger, und das Schwein ist ihr diesbezügliches Lieblingstier: Durchschnittlich werden pro Kopf und Jahr 38 Kilo Schweinefleisch vertilgt. Zum Vergleich: Bei Geflügel sowie Rind und Kalb gemeinsam sind es 13 beziehungsweise zwölf Kilo. Dementsprechend viele Schweine stehen auch in Österreichs Ställen: Aktuell sind es fast 2,7 Millionen. Sie alle möglichst gesund zu erhalten ist also nicht nur eine Frage des Tierschutzes, sondern auch ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor.

Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass es an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, die im Übrigen die einzige veterinärmedizinische Universität Österreichs ist, ein eigenes Fach Schweinemedizin und eine Universitätsklinik für Schweine gibt. Deren Leitung hat kürzlich die aus Kärnten stammende international anerkannte Infektionsmedizinerin Andrea Ladinig übernommen.

Die 1980 in Villach geborene Veterinärmedizinerin hat bereits ihre Doktorarbeit an der Wiener Vetmed geschrieben, und zwar über Methoden, mit denen sich bakterielle Erkrankungen im Schweinedarm eindeutig diagnostizieren lassen. Danach wäre es für sie auch denkbar gewesen, als Schweine-Tierärztin in die Praxis zu gehen, nur eines wollte sie sicher nicht: "Eine Kleintierpraxis in der Großstadt wäre für mich nicht vorstellbar gewesen." So aber lockte die Forschung, und Ladinig nutzte die dort gebotenen Möglichkeiten: Nach ihrem Studienabschluss war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Schweineklinik tätig und begann währenddessen ihre Ausbildung zur europäischen Fachtierärztin, die sie 2016 als sogenannte "Diplomate" erfolgreich beendete.

Rätselhafte Krankheit

Dazwischen verbrachte sie drei Jahre an einer Forschungsstelle an der kanadischen Universität von Saskatchewan, wo sie sich mit dem Verursacher des Porzinen Reproduktiven und Respiratorischen Syndroms, kurz PRRS, beschäftigte.

Dabei handelt es sich um eine Krankheit, die Mitte der 1980er-Jahre zum ersten Mal in den USA auftrat und anfangs große Ratlosigkeit auslöste. Davon zeugt ihr alter Name "Mystery Swine Disease" (Mysteriöse Schweinekrankheit). Auch "Blue Ear Disease" (Blauohren-Krankheit) hieß sie anfangs – nach der zyanotischen Blaufärbung der Ohren betroffener Tiere. 1991 wurde das Virus, das die Krankheit auslöst, das erste Mal isoliert. Bis heute jedoch gibt es den Wissenschaftern Rätsel auf. So hat es auf Schweine in verschiedenen Lebensabschnitten unterschiedliche Auswirkungen: Erwachsene Eber und Sauen, die damit infiziert sind, weisen oft kaum Symptome auf, hochträchtige Sauen jedoch werfen gewöhnlich tote und/oder kranke Ferkel. Die überlebenden Ferkel leiden häufig an Atemwegserkrankungen und Entwicklungsstörungen.

Verluste in Millionenhöhe

Damit nicht genug, gibt es oft große Unterschiede von Herde zu Herde, wie stark sich die Krankheit überhaupt manifestiert. Wieso das so ist, ist bislang unklar. Nach den genomischen Analysen, die Ladinig in Kanada durchführte und die auch Gegenstand ihrer Habilitationsarbeit waren, weiß die neue Klinikleiterin jedenfalls eines: "Es gibt genetische Unterschiede zwischen den Populationen, was die Empfänglichkeit für die Krankheit angeht."

Das dafür verantwortliche Virus dürfte derzeit jedenfalls der wirtschaftlich relevanteste Erreger von Schweinekrankheiten sein. "In den USA werden die Verluste mit mehr als 600 Millionen Dollar pro Jahr beziffert", sagt Ladinig, "aber auch in Europa gibt es massive Einbußen durch das PRRS-Virus." Übertragen kann es auf verschiedensten Wegen werden: durch sämtliche Körperflüssigkeiten der kranken Tiere selbst, aber auch über Gegenstände, mit denen sie in Kontakt gekommen sind, und sogar über die Luft.

Wichtiger Modellorganismus

Heilen kann man das Porzine Reproduktive und Respiratorische Syndrom bis jetzt nicht. Ladinig und ihre Mitarbeiter arbeiten jedoch daran, anhand winziger Einzelmutationen (sogenannter Single Nucleotide Polymorphism, kurz SNP) Genotypen zu finden, die für das Virus weniger empfänglich sind, um diese Erkenntnisse dann in die Zucht einfließen zu lassen.

An der Vetmed-Uni Wien werden jedoch nicht nur Schweinekrankheiten erforscht. "Das Schwein ist ein wichtiger Modellorganismus für den Menschen, weil es uns in vielen Dingen sehr ähnlich ist", sagt Ladinig. Deshalb werden an ihrem Institut auch immer wieder Herden von 20 bis 30 Tieren gehalten, an denen Medikamente oder Therapieansätze für Menschen getestet werden, so etwa gegen Krebs, Diabetes oder Osteoporose.

Oft bringen auch Besitzer kranke Exemplare, um feststellen zu lassen, woran sie leiden, und von Gegenmaßnahmen für die ganze Herde zu erfahren. Diese Kontakte mit der "Außenwelt" sind Ladinig besonders wichtig: "Die Klinik ist das Bindeglied zwischen der Praxis und der Grundlagenforschung", ist sie überzeugt. Dementsprechend will sie die bereits bestehende Zusammenarbeit auf diesem Sektor "erhalten und natürlich weiter ausbauen".

Die neu berufene Professorin mag Schweine übrigens nicht nur beruflich: Wie der Großteil der Österreicher isst sie sie auch gern. (Susanne Strnadl, 15.9.2017)