Mailand/Wien – AC Milan, das war viele Jahre das Steckenpferd des "Cavaliere". Silvio Berlusconi war 31 Jahre lang die leitende Figur der Mailänder, bejubelte mit dem Klub publikumswirksam große Erfolge. Den fetten Jahren folgten aber magere. Dreimal in Folge verpasste der Verein den Europacup, die Weltstars machten einen Bogen um die Rot-Schwarzen. Nun treiben neue Eigentümer die Wiederauferstehung voran.
Mehr als 230 Millionen Euro hat der Auftaktgegner der Wiener Austria in der am Donnerstag (19 Uhr) anhebenden Europa-League-Gruppenphase im Sommer für Transfers lockergemacht. Elf Spieler kamen, darunter Freistoßspezialist Hakan Calhanoglu (Leverkusen), Portugals Jungstar Andre Silva (FC Porto), der argentinische Vizeweltmeister Lucas Biglia (Lazio) – und Leonardo Bonucci. Der Abwehrchef und neue Kapitän wurde von Juventus losgeeist. Möglich machte das eine gewaltige Finanzspritze aus Asien.
Bergauf, bergab
Seit April ist Milan wie bereits Stadtrivale Inter in chinesischem Besitz. Er gehe mit "Schmerz und Ergriffenheit", sagte Berlusconi bei seiner Verabschiedung. 1986 hatte er den Klub übernommen. In der Amtszeit des viermaligen italienischen Ministerpräsidenten holte Milan fünf seiner sieben Titel in Meistercup bzw. Champions League und gewann achtmal die nationale Meisterschaft. Seit dem bisher letzten Serie-A-Triumph 2011 ging es aber bergab.
Juventus entthronte Milan im Folgejahr und holte den ersten von inzwischen sechs Ligaerfolgen in Serie. Drei Jahre später befanden sich die Mailänder endgültig im Tief, verpassten das internationale Geschäft und schrieben einen Rekordverlust von über 90 Millionen Euro. Schon damals versuchte Berlusconi Klubanteile an thailändische Investoren abzutreten. Die Gespräche zerschlugen sich allerdings.
Der Megadeal
Auf der Trainerbank herrschte ein Kommen und Gehen. Unter Clarence Seedorf, Filippo Inzaghi und Sinisa Mihajlovic blieb Milan im negativen Sinn sportlich konstant. Nachdem auch im Vorjahr der Europacup verpasst worden war, übernahm Vincenzo Montella als Trainer. Berlusconis Familienholding Fininvest lancierte erneut die Verkaufspläne. Die Verhandlungen verzögerten sich mehrmals, ehe sie im Frühjahr abgeschlossen wurden. 520 Millionen Euro ließen sich die Chinesen den Deal kosten, übernahmen außerdem Schulden in der Höhe von 220 Millionen.
Berlusconi gab noch einmal den sich sorgenden Präsidenten. Er gehe mit dem Bewusstsein, dass "im modernen Fußball" mehr Investitionen nötig seien, um ganz oben mitspielen zu können. "Ressourcen, die eine einzige Familie nicht mehr aufstellen kann." Die Rossoneri Sport Investment Lux des Unternehmers und neuen Klubchefs Li Yonghong soll es bewerkstelligen. Aus dem Sechsten der vergangenen Saison, 28 Punkte hinter Juve, soll ein Spitzenteam werden.
Geld spielte vorerst keine Rolle, der Glanz alter Tage soll dadurch wiederhergestellt werden – auch wenn es laut dem neuen Sportdirektor Massimiliano Mirabelli noch ein wenig dauern könnte. "Milan ist Work in progress. Wir hoffen darauf, in zwei oder drei Jahren eine wichtige Mannschaft zu sein", sagt der 48-Jährige. Austria-Trainer Thorsten Fink hofft: "Milan hat viel investiert, sie müssen sich aber erst finden. Das könnte ein Vorteil für uns sein." Das 1:4 am Sonntag bei Lazio Rom bezeichnete Trainer Montella als "grausame Niederlage. Wir haben nicht als Einheit gearbeitet."
Dass sich Milan wandelt, zeigt auch die Installation von Bonucci als Kapitän. Urgesteine, wie es einst Franco Baresi und Paolo Maldini waren, sucht man im Kader vergeblich. Ein solches sollte eigentlich Gianluigi Donnarumma werden. Der 18-jährige Torhüter pokerte aber im Sommer bei der Vertragsverlängerung und zog sich so den Unmut der Tifosi zu. Schließlich verlängerte der aus Neapel stammende Donnarumma, Milan kam ihm entgegen, holte nicht zuletzt den älteren Bruder des Goalies, Antonio, als Ersatzkeeper zurück. Für Gianluigi soll neben der Gehaltsauffettung auch eine Ausstiegsklausel um kolportierte 75 Millionen Euro im Vertrag verankert sein. (APA, red, 13.9.2017)