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Österreich entgeht der Schuldspirale dank rekordtiefer Zinsen.

Foto: Reuters / Dado Ruvic

Wien – An den Seitenlinien des Wahlkampfs spielt Österreichs Staatsverschuldung eine Rolle. ÖVP, FPÖ und Neos kündigen in ihren Programmen an, etwas zur Senkung des öffentlichen Schuldenstands unternehmen zu wollen. Die Neos sprechen davon, die Bürger vom "Schuldenrucksack" zu befreien. Die ÖVP will mehr "Generationengerechtigkeit beim Staatshaushalt" schaffen. Zu lange habe Österreich auf "Kosten der nächsten Generation gewirtschaftet", heißt es im Programm der ÖVP. "Mit dem Schuldenmachen muss Schluss sein. Denn zu hohe Schulden treffen vor allem die sozial Schwachen – und das ist ungerecht."

Die SPÖ scheint den Status quo zu bevorzugen: Im "Plan A" heißt es, man wolle keine neuen Schulden machen. Bei den Grünen findet sich zum Thema nichts.

Angesichts der beginnenden heißen Phase im Wahlkampf ist es lohnenswert, sich anzusehen, ob Österreich tatsächlich ein Schuldenproblem hat. Auf den ersten Blick haben die Alarmisten recht. Seit Ausbruch der Finanzkrise ist die öffentliche Verschuldung gemessen an der Wirtschaftskraft deutlich gestiegen (siehe Grafik).

Folgen der Krise

Teuer ausgewirkt haben sich die Bankenrettungen. Die öffentliche Staatsverschuldung beträgt derzeit 292 Milliarden Euro. 23 Milliarden davon entfallen auf Verbindlichkeiten aus den Bankenpaketen. Besonders die Kosten für die Pleitebanken Heta und der KA Finanz wirken sich noch teuer aus. Hinzu kam, dass durch die schwache Konjunktur Steuereinnahmen niedriger waren und zusätzliche Ausgaben, etwa für den Arbeitsmarkt, getätigt wurden.

Doch wenn Ökonomen und Investoren die Schuldensituation eines Landes bewerten, blicken sie nicht auf eine, sondern auf eine ganze Reihe von Kennzahlen. Dabei gibt es eine gute Nachricht aus heimischer Sicht. Das über die vergangenen Jahre weltweit gesunkene Zinsniveau und die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) haben dafür gesorgt, dass der Schuldenrucksack leichter geworden ist.

Österreich muss heute deutlich weniger als in der Vergangenheit für Zinsen ausgeben. Im Jahr 2005 etwa machten die Zinskosten 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, heute sind es nur noch zwei Prozent und bis zum Jahr 2021 sollen es laut Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo nur noch 1,6 Prozent sein.

Industrieländer verschulden sich primär über Staatsanleihen. Sie zahlen ihre Verbindlichkeiten nicht zurück, wie das ein Haushalt tut, sondern nehmen sich für alte Kredite bei Investoren einen neuen auf. Deswegen sind die laufenden Zinsausgaben ein wichtiger Gradmesser. Durch die gesunkenen Kosten bleibt auch im Budget des Finanzministers mehr.

Verstecktes Heta-Vermögen

Hinzu kommt ein hilfreicher Sondereffekt. Österreich hat die Verbindlichkeiten der Pleitebanken Heta und Co übernommen, was sich eins zu eins auf den Schuldenstand ausgewirkt hat. Doch Vermögen der Institute, etwa Kredite für Hotels und Einkaufszentren, gingen ebenfalls de facto auf die Republik über. Doch das scheint in der Schuldenquote des Staates nicht auf, weil dort Vermögen nicht berücksichtigt werden.

Wenn Heta und KA Finanz Geld einnehmen, etwa weil sie einen Kredit verkaufen, senken die Einnahmen die Schulden. Genau das wird sich laut Prognosen des Finanzministeriums über die kommenden Jahre positiv auswirken.

Sinkender Schuldenstand, niedrigere Zinsen: also alles in Ordnung? An dieser Stelle lässt sich einwenden, dass die Zinslast wieder steigen dürfte. Die EZB wird ihre Anleihenkäufe reduzieren, dann stoppen und irgendwann die Zinsen anheben.

Laut dem Wifo-Ökonomen Hans Pitlik dürfte aber ein moderater Zinsanstieg über die kommenden vier bis fünf Jahre keine Mehrkosten verursachen. Das liegt daran, dass noch immer viele ältere Staatsanleihen auslaufen, die zu einer Zeit begeben wurden, als die Zinsen höher waren. Sogar wenn Österreich also mehr Zinsen als derzeit zahlen muss, um sich zu verschulden, spart die Republik Geld, weil die alten Papiere teurer waren. Daraus resultiert die Erwartung des Wifo, dass die Zinskosten bis 2021 sinken. Danach könnte die umgekehrte Dynamik zu wirken beginnen, die Zinsausgaben steigen also nach und nach.

EZB hilft aus

Wobei Österreich wie andere Euroländer durch noch einen Effekt ganz gut abgesichert vor zu stark steigenden Zinsen ist, wie Gottfried Steindl, Analyst bei der Raiffeisenbank International (RBI) sagt. Die EZB und die nationalen Notenbanken halten ja bereits einen beachtlichen Teil der Staatsanleihen in ihren Portfolios, im Falle Österreichs befinden sich fast 20 Prozent der ausstehenden Staatschulden in der Hand der Notenbanker. Die EZB hat diese Papiere über die vergangenen Jahre gekauft, um damit die Wirtschaft und die Inflation zu stimulieren.

Diese Staatsanleihen sind dem Markt entzogen: Die Nachfrage nach staatlichen Schuldentiteln trifft also auf ein geringeres Angebot am Markt. Das sollte sich laut Steindl längerfristig dämpfend auf die Zinshöhe auswirken, und zwar selbst dann, wenn die EZB einmal keine Staatsanleihen mehr kaufen wird.

Um das niedrige Zinsniveau längerfristig zu halten, hat Österreichs Staatsschuldenagentur OeBFA über die vergangenen Jahre immer länger laufende Anleihen begeben. Am Dienstag war es sogar eine mit einer Laufzeit von 100 Jahren. Die Zinsen, die Österreich bis 2117 bezahlen muss, belaufen sich auf 2,1 Prozent pro Jahr. Ein Schnäppchen für so eine lange Zeit. Die Nachfrage nach der Anleihe war groß. 3,5 Milliarden Euro wollte Österreich von Investoren haben, Angebote bekam die Republik für 10,8 Milliarden. (András Szigetvari, 14.9.2017)