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Lord Voldemort hat ein Problem mit Harry Potter. Grund dafür ist der Laios-Komplex.


Foto: dapd

Lord Voldemort – der Bösewicht aus der berühmten Harry-Potter-Serie – landet auf der Couch: Der Tübinger Psychoanalytiker Leopold Morbitzer befasst sich mit dem "Laios-Komplex" – dem weitgehend unbekannten Gegenstück zum legendären "Ödipus-Komplex".

Laios wird im griechischen Mythos von seinem Sohn Ödipus getötet, der daraufhin seine eigene Mutter heiratet. Beim Laios-Komplex steht – im Gegensatz zur klassischen Sicht des Ödipus – die Perspektive der Eltern bzw. der älteren Generation im Fokus: "Der Laios-Komplex beschreibt die Ambivalenz, unsere Nachkommen einerseits lieben und versorgen zu wollen. Andererseits stellen die Kinder eine unbewusste Bedrohung dar, weil sie den Eltern die eigene Vergänglichkeit spiegeln", erläutert Morbitzer, der an der Humboldt-Universität Berlin über den Laios-Komplex promoviert.

In Laios bzw. der Figur des Schwarzmagiers Lord Voldemort in der Harry-Potter-Geschichte sei die "böse Seite" dieser Ambivalenz abgespalten. Morbitzer zeigt dabei folgende Parallelen auf: "Wie König Laios im Ödipus-Mythos erfährt auch der mächtige Lord Voldemort von einer Prophezeiung, wonach es sein Schicksal sei, durch ein Kind zu sterben", so der Psychoanalytiker. "Diese Prophezeiung bringt die Lebenstatsache zum Ausdruck, dass jede Generation von der nachfolgenden verdrängt und ersetzt wird."

Bruch zwischen den Generationen

Doch Lord Voldemort (frz. vol de mort = Raub des Todes) rebelliert gegen seine Endlichkeit – mit dem Ziel, den Tod zu besiegen und unsterblich zu sein. Wie König Laios seinen Sohn Ödipus als Säugling töten will, versucht deshalb auch Lord Voldemort Harry Potter zu töten, als dieser 15 Monate alt ist. "Ein unzulänglicher, narzisstischer Lösungsversuch – mit dem Preis eines Bruchs zwischen den Generationen", so Morbitzer: Laios wie auch Lord Voldemort werden jeweils von dem erwachsen gewordenen Kind (Ödipus bzw. Harry Potter) umgebracht.

Morbitzer weist jedoch auch darauf hin, dass dieser Generationenkonflikt nicht destruktiv zu werden braucht: Anhand der Beziehung zwischen Harry Potter und seinem Schulleiter Albus Dumbledore wird deutlich, wie die Abfolge der Generationen seine progressive Kraft entfalten kann.

Leopold Morbitzer beschäftigt sich mit diesem Thema anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), die demnächst in Weimar stattfindet und unter dem Motto "Rebellion gegen die Endlichkeit" steht. In ihren Vorträgen setzen sich Psychoanalytiker mit dem Thema Altern und Vergänglichkeit auseinander und suchen dabei die Verbindung zu Nachbardisziplinen wie Kultur-, Geistes-, Sozial-, Musik- und Neurowissenschaften, zu Medizin und Kunst. (red, 14.9.2017)