Das Grazer Studio Magic stellt zwischen Palais Attems und Mursteg Grenzen infrage.


Fotos: Studio Magic

Musiker Louis Jucker (im Bild) spielt in einer von Künstler Augustin Rebetez aus Bildern, Videos und Objekten gestalteten Welt – "The Grain Show".

Foto: Augustin Rebetz

Graz – Seit 1985 dient das Palais Attems, gelegen auf halbem Weg zwischen Mur und Schloßberg, dem Steirischen Herbst als Zentrum hinter den Kulissen. Wo konzipiert, geplant und organisiert wird und sonst nur die Büros beherbergt sind, auch dorthin lädt das Festival heuer Publikum ein.

Bei – nicht nur hier – freiem Eintritt öffnet zum Beispiel die japanische Künstlerin und Biochemikerin Yoko Shimizu (ab 23. 9.) ihr rosa ausgeleuchtetes Biodesign Lab. Dort führt sie Phänomene aus beiden Welten zusammen, zeigt synthetische Kristalle und fotosynthetisch mit Bildern bedruckte Pflanzen, weil Kunst und Naturwissenschaft kein Widerspruch sein müssen.

Optimistisch ist auch die Grazer Architektengruppe Studio Magic mit ihrer Großinstallation Transegrity. Die leuchtenden Stäbe erinnern zwar an die seit dem Zweiten Weltkrieg als Panzersperren gebrauchten "Tschechenigel". Bunt und aus ihren Verschraubungen gelöst sollen sie hin zum Mursteg aber offene Tore werden und Grenzen infrage stellen.

Für Inspiration weiter zurück greift Isabel Lewis. Im Innenhof des Palais Attems – Architekt Thomas Herzig überspannt ihn für die Dauer des Festivals mit einem aufblasbaren Kunststoffdach – wird sie einen multisensualen philosophischen Salon aus Tanz, Musik und Reden betreiben. Referenz für An Occasion (23. 9.) der Wahlberlinerin sind die Symposien-Gelage des antiken Griechenlands.

Mit dem Verhältnis Mensch – Maschine beschäftigen sich mehrere Eingeladene. Monochrom, SHIFZ und das Bureau für Philosophie wollen dabei aber keine Horrorszenarien aufkommen lassen. Denn es liege nicht in der Natur der Apparate, uns überwältigen zu wollen. Schuld an solchen Schreckensvorstellungen sei einzig der Mensch und dessen Verwertungsinteressen, meinen sie. Und lassen in roboexotica (24. 9.) Roboter das Publikum ganz harmlos mit Drinks, Miso-Suppe und Palatschinken verwöhnen. Digitales Downshifting verfolgen die zwei in Graz ansässigen Kollektive Tortuga und Risograd. Während alle auf Facebook, Twitter und Instagram online sind, initiieren sie Druck[t]raum, einen dreitägigen Workshop (ab 29. 9.) für selbstgemachte Hefte und Ideen.

Ängste und Alternativen

Gegen den Strom schwimmen auch Jessica Huber und James Leadbitter. Dem dominierenden Narrativ von Angst wollen sie ein anderes entgegensetzen, gehen in Tender Provocations of Hope and Fear (ab 28. 9.) dessen Ursachen nach und lassen ihre Performer, darunter eine Priesterin, auch von der Hoffnung berichten.

Mit der eigenen Stimme – vielen immerhin unangenehm – konfrontiert Begüm Erciyas. In Klangkabinen lässt sie Interessierte sich live, aber verzerrt selbst beschallen (Voicing Pieces). Ebenso ab 5. Oktober zu erleben und auch um Stimme geht es bei Jaha Koo. Der Südkoreaner versetzt in Cuckoo elektrische Reiskocher seiner Heimat in einen Dialog und gibt damit der Vereinsamung der jungen Generation im Land ein Bild. Die Tauschbörse Social Muscle Club (8. 10.), bei der Besucher aufgefordert sind zu bieten, wovon sie zu viel haben, und zu erbeten, was ihnen fehlt, könnte vielleicht auch Koos Leidensgenossen helfen.

Eine Traumwelt zwischen den barocken Palaismauern schafft das intime Musik-Bilder-Kabinett von Augustin Rebetez (ab 5. 10.). Mit kleinen Figuren und Requisten an große Fragen heran geht schließlich Benjamin Verdoncks in drei seiner Tischtheater-Kurzstücke (ab 12. 10.). Und um große Fragen dreht sich auch Where are we now? Neun alternative Denker versuchen dabei an zwei Abenden (12. und 13. 10.) einen unorthodoxen Verortungsversuch der Gegenwart in einer Philosophierkantine. (Michael Wurmitzer, Spezial, 15.9.2017)