Im Fitnessstudio der Musen wird hart gearbeitet. Nicht nur an den eigenen Körpern, auch an absurden strengen Frauenbildern.


Foto: Josefin Arnell

Graz – Der Spitzenschuh, Sinnbild des klassischen Balletts, für manche auch einfach ein Foltergerät für weibliche Füße, deren Besitzerinnen sich dem Tanz verschrieben haben, ist nicht unbedingt das erste Utensil, das man mit der Performancekunst Florentina Holzingers assoziieren würde.

Spätestens als die 1986 geborene Wienerin mit ihrem temporären Choreografiepartner Vincent Riebeek die Produktion Kein Applaus für Scheiße auf die Bühne brachte, hing man ihr den trashigen Mantel der Provokanten um. In ihren Produktionen wurde transpiriert, penetriert, laboriert (in ihrem zweiten Solostück Recovery) und weniger schockiert als amüsiert. Sie nimmt Anleihen an der Geschichte der Body-Art, erinnert an Aktionistinnen der 1960er- und 1970er-Jahre, stählte ihren Körper wenn nötig mit Martial Arts und streute dabei auch den Witz der Nachgeborenen, die weiß, dass sich die Provokation von gestern überlebt hat. Das Ignorieren neuer und alter Tabus soll wenigstens Spaß machen.

Apollon reloaded

Für ihre neueste Produktion Apollon Musagète kehrt Florentina Holzinger mit Spitzenschuhen zurück. Sechs Frauen arbeiten sich in eben solchen am neoliberalen Körperkult in einem okkulten Fitnessstudio ab. Dabei soll ein neuer Blick auf das gleichnamige Ballett des legendären russisch-amerikanischen Choreografen und Begründers des neoklassizistischen Stils im Ballett, Georges Balanchine (1904-1983), geworfen werden.

Balanchines Apollon Musagète wurde 1928 in Washington uraufgeführt, die Musik dazu hatte kein Geringerer als Igor Strawinsky komponiert. In Auftrag gegeben wurde das Stück, dem sich jetzt die außergewöhnliche Performerin annimmt, übrigens seinerzeit von einer Frau: der Pianistin und Mäzenin Elizabeth Sprague Coolidge.

Apollon, "der Führer der Musen" von damals, würde mit den Musen, die bei Holzinger laut Programm "in einer Dualität von Genialität und Wahnsinn, Lust und Ekel, Brillanz und Trash, Entertainment und Hochkultur" in der Figur der perfekten Performerin behauptet werden, wohl seine Wunder erleben.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden die Musen auch ihre Nacktheit mit oder ohne Apollon in Szene setzen. Tatsächlich sollen die strengen Formen von Balanchines Ballett eingebettet in einer Freakshow auseinandergenommen werden. Dabei kommt neben den Spitzenschuhen auch jede Menge schwereres Gerät wie etwa Hanteln zum Einsatz. Das verspricht doch, witzig zu werden.

In Genf uraufgeführt, wird in Graz die deutschsprachige Erstaufführung stattfinden, danach geht die Produktion nach Gent. (Colette M. Schmidt, Spezial, 15.9.2017)