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Bernie Sanders bei der Vorstellung seines "Medicare For All"-Konzepts. Im Hintergrund: Die Senatorinnen Mazie Hirono (links, Hawaii) und Elizabeth Warren (Massachusetts).

Foto: Reuters/Yuri Gripas

Washington/Wien – Aus seiner Meinung zum US-amerikanischen Gesundheitssystem hat Bernie Sanders nie ein Geheimnis gemacht: Bereits während der Zeit seiner Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2016 sagte der Senator für Vermont, dass der Aufbau des Systems eine "internationale Schande" sei. "Obamacare", benannt nach dem damaligen Präsidenten Barack Obama, sei ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch lange nicht optimal.

Das Nachfolgemodell des jetzigen US-Präsidenten Donald Trump hingegen verurteilte Sanders aufs Schärfste: "Das ist der grausamste, destruktivste und unverantwortlichste Gesetzesentwurf, der dem Senat in der jüngsten Geschichte dieses Landes vorgelegt worden ist."

Auf seine kritischen Worte folgen nun Taten: Der 76-Jährige stellte sein Konzept "Medicare for All" vor. Sein Grundsatz: Medizinische Versorgung ist ein Recht und kein Privileg.

Dänemark als Vorbild

Anstatt die jetzige Linie zu verfolgen, solle man sich an Ländern wie Dänemark, Schweden und Norwegen orientieren, so Sanders‘ Meinung. Besonders Dänemark hob er dabei wiederholt hervor und nahm sich deren "Einzelzahler"-System zum Vorbild, in dem das Geld für die Gesundheitsversicherungen gänzlich aus den Steuern geschöpft wird. Versichert ist jeder, der arbeitet und Steuern zahlt.

Ganz anders sieht es hingegen aktuell in den USA aus, wo laut Studie der CDC, einer Bundesbehörde des US-Gesundheitsministeriums, rund 65 Prozent der unter 65-Jährigen privat versichert sind und knapp 28 Millionen ebendieser Altersgruppe gar keine Versicherung haben.

Sanders‘ Plan soll besonders für die Mittel- und Unterschicht eine finanzielle Erleichterung bringen: Zwar sei es möglich, dass die Steuern höher werden, doch die Gesamtausgaben für Versicherungen und medizinische Versorgung wären dennoch viel niedriger als aktuell. Laut dem Zentrum für Gesundheitsversorgung (CMS) zahlten Amerikaner 2016 im Durchschnitt mehr als 10.000 US-Dollar (rund 8400 Euro) pro Kopf. Auch für Mittel- und Kleinbetriebe, die oft für die Versicherung ihrer Mitarbeiter zahlen müssen, würde das Konzept Sanders zufolge von Vorteil sein: Das Geld könnte an anderen Stellen investiert werden und so die Wirtschaft ankurbeln.

Befürworter und Gegner

Bei der Präsentation seines Gesundheitsplans bekam Sanders prominente Unterstützung von demokratischen Senatoren, darunter auch Kamala Harris (Kalifornien) und Elizabeth Warren (Massachusetts), die jetzt schon als mögliche Präsidentschaftskandidatinnen für 2020 gehandelt werden. Harris und Warren hatten im Vorhinein bereits bekanntgegeben, das Konzept unterstützen zu wollen. Auch die Senatoren Al Franken (Minnesota), Mazie Hirono (Hawaii), Kirsten Gillibrand (New York), Cory Booker (New Jersey) und Richard Blumenthal (Connecticut) haben sich dem Plan angeschlossen, wie Sanders bekanntgab.

Doch nicht jeder in den Reihen der Demokraten ist von dem Konzept überzeugt: Chuck Schumer und Nancy Pelosi, die Fraktionschefs der Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus, zeigten sich vorerst zurückhaltend. Sie befürchteten, dass "Medicare for All" es den Republikanern noch leichter machen würde als zuvor, die Demokraten als die Partei abzustempeln, die die Steuern erhöhen wolle und eine Regierungsübernahme des Gesundheitssystems anstrebe. Außerdem würden sie sich lieber auf den weiteren Ausbau des bereits bestehenden Obamacare-Modells konzentrieren.

Klar gegen den Plan stellte sich die republikanische Partei, die weiterhin damit beschäftigt ist, ein neues Gesundheitssystem nach Trumps Wünschen einzuführen. Die beiden Senatoren Lindsey Graham (South Carolina) und Bill Cassidy (Louisiana) stellten ebenfalls einen eigenen Gesetzesentwurf vor, den Welten von Sanders‘ "Medicare For All"-Konzept trennen: Vorgesehen ist darin ein Gesundheitssystem, das die Verantwortung auf die Staaten verteilt, anstatt sie auf Bundesebene zu stellen. Außerdem soll darin der Anspruch von Obamacare, so viele Menschen wie möglich zu versichern, außer Kraft gesetzt werden, verbunden mit tiefen finanziellen Einschnitten beim Gesundheitsfürsorgeprogramm Medicaid.

Vorerst vermutlich keine Änderung

Gemeinsam ist den beiden unterschiedlichen Konzepte nur, dass ihre Umsetzung wohl nicht allzu bald erfolgen wird. Das Graham-Cassidy-Modell unterliegt zwar bis 30. September einem Verfahrensschutz, der es ermöglicht, Gesetzesentwürfe mit einer einfachen Mehrheit (50 Stimmen) im Senat durchzubringen. Wie die "New York Times" berichtete, habe der Plan laut dem republikanischen Senator John Cornyn (Texas) allerdings selbst unter diesen Umständen nicht genug Zustimmung. Besonders deutlich wurde der republikanische Senator Rand Paul (Kentucky) – auf die Frage, welche Chancen Grahams und Cassidys Plan habe, sagte er laut CNN: "Null. Ich habe noch niemanden ernsthaft darüber reden hören." Ab Oktober folgt zusätzlich eine Anhebung der benötigten Stimmen auf 60.

"Medicare For All" hingegen wird am Repräsentantenhaus scheitern, in dem die Republikaner mit einer großen Mehrheit (240 zu 194) vertreten sind. Im November 2018, bei den nächsten Wahlen des Repräsentantenhauses, könnte sich das ändern und dem Vorhaben möglicherweise den Weg ebnen – zumindest bis dahin werden Sanders und seine Unterstützer allerdings warten müssen. (Carla Márquez. 14.9.2017)