Funktionale Baumwolle aus dem Labor.

Foto: Filipe Natalio

Mikroskopische Aufnahme von fluoreszenten Baumwollfasern.

Foto: Filipe Natalio

Leoben/Halle – Intelligente Textilien passen sich unterschiedlichen Umweltbedingungen an: Sie kühlen bei Hitze oder leuchten im Dunkeln. Was einem Stoff hinzugefügt wird, kann aber auch wieder ausgewaschen werden. Forschern aus Deutschland, Israel und Österreich ist es nun gelungen, Baumwollfasern mit direkt in die Cellulose integrierten Funktionen wie Fluoreszenz oder Magnetismus im Labor wachsen zu lassen.

Durch die chemische oder physikalische Veränderung der Oberflächenstruktur können Textilien schon heute interessante zusätzliche Eigenschaften erhalten. Sie können Schweißgeruch unterbinden, Nässe im Patientenbett melden oder auf Wunsch die Farbe wechseln. Häufiges Waschen und Abrieb kann die Funktionalität solcher Materialien jedoch im Laufe der Zeit beeinträchtigen, sagt der Oskar Paris von der Montanuniversität Leoben.

Funktionelle Moleküle

Dem internationalen Team ist es nun gelungen, Baumwollfasern mit speziellen Eigenschaften – Fluoreszenz oder Magnetismus – im Labor zu erzeugen. Das haben sie erreicht, indem sie maßgeschneiderte Glukosederivate entwickelten, wie sie im Fachblatt "Science" berichten. Diese funktionellen Moleküle werden über die Nährstoffkette in die wachsenden Pflanzenzellen eingebaut. Die erwünschten Funktionen werden also in die Baumwollfasern selbst eingebettet, anstatt über Nachbehandlung aufgebracht zu werden.

Laut Koautor Paris ist dieser Ansatz fundamental anders als alle bisherigen Methoden zur Herstellung von funktionellen Textilfasern: "Er erfolgt in einem wirklichen 'bottom up' Prinzip durch eine komplexe 'biologische Fabrik'", so der Röntgenstruktur-Spezialist. Die Forscher der Montanuniversität und des Materials Center Leoben haben detaillierte Nanostruktur-Untersuchungen mit Röntgenstrahlen an den funktionalisierten Baumwollfasern im Vergleich zu nicht modifizierten Fasern durchgeführt.

Großes Anwendungspotenzial

Diese Experimente hätten maßgeblich dazu beigetragen zu belegen, "dass die funktionellen Einheiten in der Tat auf molekularer Ebene in die nur wenige Nanometer dicken Cellulosefibrillen der Baumwollfasern eingebaut werden, wobei sich die Fibrillen selbst durch den Einbau jedoch kaum ändern", so Paris. Das lasse vermuten, dass weder die beiden in den Arbeiten demonstrierten Eigenschaften der Fluoreszenz und des Magnetismus, noch die Baumwollpflanze selbst eine grundsätzliche Einschränkung für die "Bio-Fertigung" darstellen.

"Es eröffnet sich eine riesige Vielfalt an möglichen Materialien, deren Hochskalierung eigentlich nur durch die Verfügbarkeit der funktionalen Moleküle Grenzen gesetzt sind", sagte der Forscher. "Ich denke zum Beispiel an Kleidung, die einfach die Bewegungsenergie des Körpers in elektrische Energie umwandelt und auch speichert, oder an Holz mit bereits beim Wachstum integriertem Flammschutz." (APA, 17.9.2017)