Der seit nun einem halben Jahr dauernde Hungerstreik zweier inhaftierter junger Lehrer zeigt das hässliche Gesicht der Türkei. Die Staatsmacht ist wichtiger als einzelne Bürger, erst recht solche, die in der Opposition stehen. So lautet die Botschaft an alle, die das Siechtum von Nuriye Gülmen und Semih Özakça verfolgen. Der Hungerstreik ist ein gängiges Mittel in der Türkei, um Forderungen wenigstens versuchsweise durchzusetzen. Doch dieses Mal ist alles anders. Gülmen und Özakça treffen den Nerv dieses Staats, den Tayyip Erdogan nach dem Putschversuch vom Vorjahr errichtet hat.

Für andere Länder ist das Ringen mit Hungerstreikenden ein fürchterliches Dilemma: nachgeben oder sterben lassen? Für die Türkei des Ausnahmezustands und der Massensäuberungen gilt das nicht. Im Fall Gülmen und Özakça gibt es kein Nachgeben. Ihre Entlassung aus dem Staatsdienst einfach rückgängig zu machen ist für das Regime von Tayyip Erdogan undenkbar. Dann wäre ja an der Entlassung von bisher 146.000 Bediensteten, am Kampf gegen angebliche Verschwörer im Inneren etwas falsch.

Für Gülmen und Özakça bereitet der türkische Staat deshalb schon einen Nachruf vor: Die beiden Lehrer waren linke Terroristen, ihr Hungerstreik war ein Anschlag auf den Staat. Diese Vorverurteilung hat der Innenminister bereits in einer Parlamentsdebatte ausgesprochen. Der Prozess, der nun begonnen hat, soll das nur bestätigen. (Markus Bernath, 14.9.2017)