Gemischte und kleinteilige Nutzung – das Projekt frizz23 in Berlin.

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Auch über die Architektur wurde öffentlich und gemeinsam diskutiert.

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"Erst der Dialog, dann das Design" – so lautet das Motto des Projekts.

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Die Biografien der Menschen verändern sich zusehends. Sie werden zu sogenannten Multigrafien, die aus mehreren Aufbruchs- und Veränderungsphasen bestehen. Auch im Alter orientieren sich viele Menschen heutzutage noch einmal um, sie wollen arbeiten, statt in Pension gehen.

"Dieser und weitere gesellschaftliche Trends, etwa Individualisierung und Sehnsucht nach Community und Partizipation, wirken sich darauf aus, wie Wohn- und Arbeitsbedürfnisse sich verändern", erklärte Raimund Gutmann vom Beratungsunternehmen wohnbund:consult kürzlich bei einem Podiumsgespräch von MAK Future Lab und Wien Holding.

Inhalt der Diskussion war eine Entwicklung, die auf diese neuen gesellschaftlichen Verhältnisse reagiert: Das gemeinschaftliche Bauen – nicht nur von Wohnraum, sondern auch von Gewerbeflächen. Konkreter Anlass: Auch im Viertel Neu Marx, dem ehemaligen Schlachthofareal im 3. Bezirk, gebe es ein "Spannungsfeld zwischen Arbeiten und Wohnen", hieß es im Zuge des Gesprächs von der Wiener Standortentwicklung. Dort soll künftig Arbeitsraum von Baugruppen geschaffen werden.

Jeder darf mitreden

Wie das funktionieren kann, weiß die Architektin Britta Jürgens, die mit einer Gewerbebaugruppe in Berlin das Projekt "frizz23" geplant hat. Unternehmer aus den Bereichen Kunst, Kreativwirtschaft und Bildung teilen sich den Gebäudekomplex, der in einem halben Jahr fertiggestellt wird. Vor sieben Jahren hat die Planung für den Standort begonnen, das Konzept wurde in öffentlichen Kreativworkshops entwickelt. Auch bei der Vergabe und der Architektur des Gebäudes durfte die Öffentlichkeit in Workshops mitreden.

Für Britta Jürgens ist klar, warum Kleinunternehmer sich an solchen Projekten beteiligen, obwohl die lange Vorlaufzeit für sie oft eine Herausforderung ist: Was am Ende entsteht, ist eine maßgeschneiderte und langfristige Standortsicherung, zudem entstehen Synergien in der Gemeinschaft. Und: Die meisten wollen vor allem mitmachen, weil sie das Experiment unterstützen möchten.

Auch in Wien ist der Bedarf da, weiß Robert Temel, selbstständiger Architektur- und Stadtforscher. Die Preise für Büroflächen sind für KMUs oft nicht leistbar. "Zudem nimmt die Zahl der Start-ups in Wien laufend zu, sie brauchen entsprechende Räume."

Dennoch gibt es zahlreiche Herausforderungen, allen voran die Finanzierung. Jürgens: "Wir haben nur eine Bank gefunden, die willig und fähig war." Hinzu kommen Regulierungen, die lange Projektentwicklungszeit – und dass es kaum Entwickler gibt, "die sowohl Wohnen als auch Gewerbe können", sagt Temel. Vor allem muss man den Prozess aber wollen, so Jürgens, und davon überzeugt sein, dass das Ergebnis besser wird, wenn viele Leute an einem solchen Prozess beteiligt sind. (Bernadette Redl, 18.9.2017)