Die Finanzminister der Eurozone haben beim informellen Treffen in Tallinn am Freitag eine Klarstellung vorgenommen, wonach es keine Aufweichung der strengen Kriterien beim Beitritt von EU-Staaten zur Währungsunion geben kann. Es gäbe "keinen Zwang zur höheren Geschwindigkeit" bei der Eurozonenerweiterung, sagte der Chef der Gruppe, Jeroen Dijsselbloem. Die seit der Finanzkrise verstärkten Bemühungen um eine Vertiefung der Währungsunion gingen unverändert weiter.

Allerdings: Gemäß dem EU-Vertrag sei eine solche Erweiterung auch kein Widerspruch zur immer engeren Kooperation der Euroländer, erklärte er in einer Pressekonferenz, etwa in Form der Bankenunion oder bei einem gemeinsamen EU-Finanzminister, wie Frankreich und zuletzt EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker das gefordert haben.

"Paralleler Prozess"

Laut dem Eurogruppenchef seien Integration und Erweiterung der Eurozone "ein paralleler Prozess". Die Debatte zu dem Thema war am Mittwoch durch die Rede Junckers zur Lage der Union befeuert worden. Er hat darin gefordert, dass sowohl beim Euro wie auch bei der Politik der offenen Grenzen gemäß dem Schengen-Vertrag möglichst alle EU-Staaten so rasch wie möglich beitreten sollen, so wie das in den EU-Verträgen vorgesehen sei – mit Ausnahme von Großbritannien und Dänemark, die über eine Ausnahmeklausel verfügen. Weil der Kommissionschef zur Erleichterung der Euro-Einführung auch neue "technische und finanzielle Instrumente" der Vorbeitrittshilfen angeregt hatte, war der Eindruck entstanden, dass die Kommission die strengen Stabilitätskriterien aufweichen wolle.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der sich ursprünglich skeptisch geäußert hatte, sagte in Tallinn, die Kritik an Juncker sei wohl ein "Missverständnis". Dieser habe an die Regeln der EU-Verträge erinnert.

In diesem Sinne erklärte Währungskommissar Pierre Moscovici in der estnischen Hauptstadt: "Niemand ist gezwungen, der Währungsunion beizutreten." Juncker habe in seiner Rede klar zum Ausdruck gebracht, dass "die Tür für Kandidaten offen ist. Die Kommission wolle aber jenen helfen, die es schwer haben beizutreten". Der Währungsunion gehören 19 von 28 Mitgliedstaaten an, zuletzt waren die drei baltischen Staaten beigetreten.

Dijsselbloem will bleiben

Die Frage nach einem Nachfolger für Dijsselbloem als Chef der Eurogruppe war offiziell kein Thema. Sein Mandat läuft Ende Jänner aus. Da der Sozialdemokrat in seiner Heimat, den Niederlanden, aber als Finanzminister demnächst ausscheiden dürfte, müsste er den Posten vereinbarungsgemäß auch in der Eurogruppe räumen. Dijsselbloem betonte, er habe vor, sein Mandat bis zum Ablauf der Frist auszuüben. Mehrere Finanzminister sprechen sich dafür aus, einen Weg zu finden, wie er doch noch im Amt bleiben könnte. Nach den Wahlen in Deutschland in einer Woche wird man dazu mehr wissen.

Bemerkenswert war in Tallinn ein Statement des dänischen Finanzministers Kristian Jensen zur Erweiterung der Eurozone nach Osteuropa. Dänemark werde den Euro nicht einführen, hoffe aber auf Fortsetzung der Erweiterung und darauf, dass die Eurozone offenbliebe, damit es "in einigen Bereichen teilnehmen könne", sagte Jensen, "das ist gut für uns".

Angedacht wird bei den EU-Finanzministern die Einführung einer Internetsteuer bei Dienstleistungen, etwa von Google oder Netflix. Da es große Uneinigkeit gibt, wie man die Steuer bemisst, zum Beispiel mit Klicks, könnte es zunächst einen Fünf-Prozent-Aufschlag auf Umsätze geben. (Thomas Mayer aus Tallinn, 15.9.2017)