Allen Warnungen zum Trotz hat Nordkorea am Freitag erneut eine Mittelstrecken über Japan hinweg in den Pazifik gefeuert.

Foto: APA/AFP/TORU YAMANAKA

Bild nicht mehr verfügbar.

"Es gibt die militärische Option", sagte der nationale Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster. US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, sagte, sie habe kein Problem damit, das Problem Nordkorea an Verteidigungsminister James Mattis zu übergeben.

Foto: AP Photo/Carolyn Kaster

Pjöngjang / New York – Der UN-Sicherheitsrat hat den jüngsten nordkoreanischen Raketentest als "zutiefst provozierend" verurteilt. In einer am Freitag nach einer Dringlichkeitssitzung einstimmig verabschiedeten Erklärung wurde Pjöngjang aufgefordert, sein "empörendes Vorgehen" sofort einzustellen. Nordkoreas Atom- und Raketentests seien eine Bedrohung nicht nur für die Region, "sondern für alle UN-Mitgliedstaaten", hieß es in der Erklärung, der auch die Vetomächte China und Russland zustimmten.

Zuvor hatte Pjöngjang zum zweiten Mal in weniger als drei Wochen über Japan hinweg eine Rakete in den Pazifik schießen lassen. Um 7.06 Uhr Ortszeit überflog sie am Freitag nach Angaben der japanischen Regierung die Insel Hokkaido und landete anschließend rund 2.000 Kilometer östlich davon im Meer. In ganz Japan heulten Sirenen, per Lautsprecher und Textnachrichten wurden Bewohner aufgefordert, Schutzräume aufzusuchen. Premier Shinzo Abe trat vor die TV-Kameras und forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, zusammenzukommen und "eine klare Botschaft an Nordkorea" zu senden, "das mit seinen Aktionen den Weltfrieden bedroht".

Unmöglicher Dialog

Zeitgleich meldete auch der Generalstab der südkoreanischen Armee, dass eine Rakete nach dem Start am Flughafen Sunan nördlich der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang in 17 Minuten 3.700 Kilometer zurückgelegt habe. Südkoreas Präsident Moon Jae-in berief den Nationalen Sicherheitsrat ein und bekräftigte, dass ein Dialog mit der stalinistischen Führung in Pjöngjang in der jetzigen Situation schlichtweg nicht möglich sei.

Die jüngste Rakete flog noch deutlich weiter als jenes Modell, das Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un am 29. August über Hokkaido hinwegfeuern ließ (2.700 Kilometer). Das US-Pazifikkommando teilte am Freitag mit, es habe sich ersten Einschätzungen zufolge um eine ballistische Mittelstreckenrakete gehandelt. Demnach habe auch dieser Flugkörper keine Gefahr für die Vereinigten Staaten oder die US-Stützpunkte auf der Pazifikinsel Guam dargestellt.

USA machen weiter Druck

US-Außenminister Rex Tillerson hielt in einer ersten schriftlichen Reaktion fest, "diese anhaltenden Provokationen vertiefen nur die diplomatische und wirtschaftliche Isolation" Nordkoreas. Er forderte erneut härtere Schritte gegen Pjöngjang. Die Sanktionen müssten über Resolutionen der Vereinten Nationen hinausgehen: "Wir rufen alle Nationen auf, neue Maßnahmen gegen das Regime von Kim zu ergreifen."

Die USA hielten zudem die Möglichkeit eines militärischen Eingreifens aufrecht. "Es gibt die militärische Option", sagte der nationale Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster am Freitag in Washington. Diese Option sei aber nicht die bevorzugte. "Dieses ist keine Angelegenheit zwischen den USA und Nordkorea, es ist eine Angelegenheit für die ganze Welt", sagte McMaster. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, sagte, sie habe kein Problem damit, das Problem Nordkorea an Verteidigungsminister James Mattis zu übergeben: "Ich denke, er hat eine ganze Reihe Optionen."

Sanktionen verschärft

Erst am vergangenen Montag hatte der UN-Sicherheitsrat einstimmig die bisher härtesten Sanktionen beschlossen. Sie sehen etwa Einschränkungen der Öl- und Gaslieferungen sowie ein Verbot von Textilausfuhren vor. Tatsächlich haben aber alle bislang gesetzten Schritte Nordkorea nicht dazu bewegt, sein Raketen- und Atomprogramm aufzugeben. Denn an den entscheidenden Stellen wurde der Sanktionsentwurf entschärft, um den UN-Vetomächten Russland und China entgegenzukommen.

An diese beiden Staaten richteten die USA deshalb explizit ihren Appell: "China liefert Nordkorea den größten Teil seines Öls", erklärte der US-Chefdiplomat per Aussendung. "Russland ist der größte Arbeitgeber für nordkoreanische Zwangsarbeiter." Tillerson forderte die zwei Länder auf, "Unnachgiebigkeit" zu zeigen.

Die Angesprochenen reagierten in gewohnter Manier: Das russische Außenamt bezeichnete den Test über eine Sprecherin als nicht hinnehmbar und warf den USA aggressive Rhetorik vor. Peking verurteilte Nordkorea, rief alle Parteien zur Zurückhaltung auf und sprach sich für eine diplomatische Lösung aus. Das stimmt mit der politischen Linie überein, die kürzlich auch der US-Politologe James Lindsay im Gespräch mit dem STANDARD skizziert hatte: Peking sei ein nuklear bewaffnetes Nordkorea offenbar lieber als ein befriedetes, vereinigtes und von den USA kontrolliertes Korea. (APA, red, 15.9.2017)