Machthaber Kim Jong-un lässt nach den Raketenstarts stets Fotos lancieren, die ihn beim Beobachten der Starts zeigen.

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In Südkorea werden die Tests mit großer Sorge beobachtet.

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Seoul/Washington – Trotz härterer Sanktionen will der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un das Atomwaffenprogramm seines Landes vorantreiben und ein militärisches Gleichgewicht mit der Supermacht USA erreichen. Dazu müsse Nordkoreas Atomstreitmacht vervollständigt werden, zitierten die Staatsmedien Kim am Samstag.

Die USA machten nach einem neuerlichen Test einer Mittelstreckenrakete durch Nordkorea am Freitag deutlich, dass sie sich die Möglichkeit eines militärischen Eingreifens offenhielten.

Keine weiteren Schritte

Der UNO-Sicherheitsrat verurteilte die jüngste "Provokation" Pjöngjangs. Der Rat einigte sich in seiner Sitzung in New York aber vorerst auf keine weiteren Schritte. Erst am Montag hatte das mächtigste UNO-Gremium die Sanktionen gegen Nordkorea wegen dessen Atomtests am 3. September verschärft.

Nach dem neuen Sanktionsbeschluss hatte Nordkorea erneut eine Rakete vom Typ Hwasong-12 über den Norden Japans hinweg in den Pazifik geschossen. Sie flog nach südkoreanischen Angaben 3.700 Kilometer weit – so weit wie bei keinem früheren Test einer militärischen Rakete durch Nordkorea.

"Kriegslüsternheit der USA"

Kim habe den Test persönlich befohlen und ihn von seiner Kommandozentrale beobachtet, berichteten die nordkoreanischen Medien. Mit dem Manöver sollte "die Kriegslüsternheit der USA" eingedämmt werden. Ziel sei ein "Gleichgewicht der Kräfte" Nordkoreas und der USA, um der US-Führung die militärische Option zu nehmen, wurde Kim zitiert.

Anschließend lobte Kim die Atomtechniker und Militärs. "Wir müssen den Großmacht-Chauvinisten zeigen, wie unser Staat trotz endloser Sanktionen und Blockade sein Ziel erreicht, die Atomstreitkräfte zu vollenden." Zugleich deutete Kim an, die Waffentests fortzusetzen.

Laut dem Physiker David Wright hat Nordkorea mit der Rakete seine Fähigkeit demonstriert, dass es den US-Stützpunkt Guam im Pazifischen Ozean erreichen könne. Das Pazifikkommando der US-Streitkräfte erklärte jedoch, die getestete Rakete sei keine Bedrohung für Nordamerika oder die Insel Guam gewesen, auf der tausende US-Soldaten stationiert sind.

Gefechtsbereitschaft

Im nordkoreanischen Staatsfernsehen war ein Raketenstart zu sehen, angeblich der vom Freitag. Die berühmte Nachrichtensprecherin Ri Chun-hee zitierte Machthaber Kim mit den Worten, die "Gefechtsbereitschaft" der Rakete sei "sorgfältig überprüft" worden.

Der Konflikt heizt sich seit Monaten auf. "Es gibt die militärische Option", betonte der nationale Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster in Washington. Diese Option sei aber nicht die bevorzugte. Die USA näherten sich im Bereich von Sanktionen und Diplomatie dem Ende der Möglichkeiten. "Dieses ist keine Angelegenheit zwischen den USA und Nordkorea, es ist eine Angelegenheit für die ganze Welt."

Internationaler Druck und Sanktionen haben in der Krise bisher keinen Erfolg gezeigt, Nordkorea setzte sein Atomprogramm und seine Tests entgegen allen Warnungen fort. Die am Montag beschlossenen, neuen Strafmaßnahmen der UNO sehen unter anderem eine Deckelung der Öllieferungen an das Land und ein Verbot von Textilexporten vor.

Rücksichtslos

Nordkorea verhalte sich weiterhin provokant und rücksichtslos, sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen in New York, Nikki Haley. "An diesem Punkt kann der Sicherheitsrat nicht mehr viel tun, wenn man schon 90 Prozent des Handels und 30 Prozent des Öls (Importe) gekürzt hat." Sie habe kein Problem damit, den Fall an US-Verteidigungsminister James Mattis weiterzugeben, weil der eine Menge Optionen habe, sagte Haley.

US-Präsident Trump warnte Pjöngjang, die USA könnten mit ihren militärischen Fähigkeiten jeden Feind "zermalmen". Bei einem Besuch des Luftwaffenstützpunktes Andrews sagte er vor Hunderten Soldaten, Nordkorea habe "ein weiteres Mal seine völlige Missachtung für seine Nachbarn und die gesamte Weltgemeinschaft gezeigt". Er sei jedoch "überzeugter denn je, dass unsere Optionen nicht nur effektiv, sondern überwältigend sind", betonte der US-Präsident, nachdem er auf dem Stützpunkt modernste US-Kampfjets und Bomber inspiziert hatte.

"Bedrohung für den Weltfrieden"

Der japanische Regierungschef Abe erklärte, sein Land werde eine solche Provokation nicht hinnehmen. Sie sei "eine Bedrohung für den Weltfrieden". Erst Ende August hatte Nordkorea eine Rakete über Japan hinweg abgefeuert. Der japanische UNO-Botschafter Koro Bessho sprach in New York von einer "ernsten Bedrohung für unsere eigene Sicherheit" sowie einer "wirklichen Gefahr für den Frieden und die Sicherheit der ganzen Welt". Die neuen Sanktionen müssten sofort vollständig umgesetzt werden.

Der Kreml erklärte nach einem Telefonat von Russlands Staatschef Wladimir Putin mit seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron, beide sähen in direkten Gesprächen mit Pjöngjang den einzigen Ausweg aus der Krise. Es sei "nicht hinnehmbar, eine Eskalation der Spannungen zu erlauben".

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel, der am Wochenende unter anderem zu politischen Gesprächen nach China reist, sprach sich für eine Kombination aus wirtschaftlichem Druck und Verhandlungsangeboten im Atomstreit mit Nordkorea aus. Das Beispiel Iran zeige, dass beides gebraucht werde, sagte er im SWR. Zuvor hatte Gabriel den Raketentest Nordkoreas "auf das Schärfste" verurteilt. "Das Regime in Pjöngjang führt uns erneut vor Augen, dass es eine ernste Bedrohung für den Weltfrieden darstellt", sagte er in Berlin. (APA, 16.9.2017)