Die Nordkorea-Krise und die Eröffnung der bisher größten Ausstellung deutscher Kunst in Peking standen im Mittelpunkt von Gabriels halbtägigen Kurzbesuches in Peking. Auf dem Foto sieht man den Außenminister kurz nach der Eröffnung vor Medienvertretern.

Foto: AP_Andy Wong

Die monumentale Uranus-Skulptur von Markus Lüpertz wurde über Duisburg (und symbolisch über die neue Seidenstraße) nach Peking verschickt als Teil der "Deutschland 8"- Riesenausstellung. Sie steht vor dem 600 Jahre alten kaiserlichen Tai Miao-Tempel, indem eine Reihe der besten Werke deutscher Gegenwartsmaler ausgestellt werden. Am Sonntag eröffnete Sigmar Gabriel hier die Ausstellung. Vor dem Uranus posiert die international bekannte Fotokünstlerin Katharina Sieverding, deren Arbeiten in einer speziellen Ausstellung Fotografie im Minsheng-Museum gezeigt werden.

Foto: Johnny Erling

China Kurator Fan Di'an (rechts) erklärt in der Ausstellung " Deutschland 8" im kaiserlichen Pekinger Ahnentempel dem Kulturminister Luo Shugang, was es mit neuen Medien in der Kunst auf sich hat. Im Hintergrund ein Foto von Joseph Beuys.

Foto: Johnny Erling

Immer wenn Sigmar Gabriel nach China fährt, scheut sich der deutsche SPD-Politiker nicht, offene Worte zu sagen, auch wenn er sich politisch in die Nesseln setzt. Am Sonntag kam es wieder einmal dazu. Als Schirmherr eröffnete der Vizekanzler eine "Deutschland 8" genannte, große Retrospektive zur Gegenwartskunst in der Bundesrepublik. Spektakulärer Ort der Premiere-wurde der 600 Jahre alte frühere Ahnentempel Tai Miao, der zum Pekinger Kaiserpalast gehört. Er diente als eine von sieben Kunstgalerien der Hauptstadt, in denen zugleich 320 Werke von 55 namhaften Künstlern ausgestellt werden.

Davon hängen im Tai Miao Ahnentempel Dutzende Arbeiten von ganz Großen wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Anselm Kiefer oder Neo Rauch. Außenminister Gabriel nannte die Ausstellung ein besonderes Angebot an China zum "Zwiegespräch", das sich auch über die Kunst: führen lasse. "Sie zwingt zum Perspektivwechsel", halte der Gesellschaft einen Spiegel vor. Dazu brauche sie aber Freiheit und Unterstützung der Zivilgesellschaft. "Kunst und Kultur sind nicht Diener der Politik."

Das sozialistische China sieht das völlig anders. Die Kommunistische Partei verlangt von allen Medien, auch der Kunst, ihr und dem "Volk zu dienen." Dennoch reagierten die chinesischen Gastgeber auf Gabriels Worte nicht verschnupft, ließen sich das zumindest nicht anmerken. Sie rechnen ihm hoch an, mitten in der Endrunde des deutschen Wahlkampfs zur Eröffnung der bis Ende Oktober gezeigten Ausstellung nach Peking angedüst zu kommen, auch wenn er dort nur sechs Stunden bleiben konnte.

Alte Zorn verraucht

Pekings Zorn über die Äußerungen des deutschen Außenminister von Ende August scheint ebenfalls schnell verraucht zu sein. Öffentlich hatte Gabriel vor den Folgen der Pekinger "16+1" genannten Politik gewarnt. China hat seit Jahren mit 16 Ländern in Ost-und Mitteleuropa, darunter EU-Mitgliedern, wirtschaftliche Sondervereinbarungen und Zusammenarbeit unter weitgehender Umgehung Brüssels geschlossen. Gabriel warf China vor, damit eigene Wirtschafts- und geopolitische Ziele zu verfolgen und Europa zu spalten.

Die Nachrichtenagentur Xinhua nannte Gabriels Äußerungen "schockierend" und "unverantwortlich." Sie schadeten dem gegenseitigen Vertrauen. China unterstütze immer ein Vereinigtes Europa. Chinas Parteiblatt Global Times wütete mit Polemiken gegen Gabriel. Er wolle sich auf Kosten Chinas nur im deutschen Wahlkampf profilieren.

Doch Peking wechselte das Thema rasch, nicht nur, weil Deutschland sein wichtigster europäischer Wirtschafts- und Handelspartner ist, sondern, weil es in ihm auch einen geopolitischen Verbündeten bei seiner Seidenstraßen-Offensive wie in der Lösung der derzeit hochgespannten Nordkorea-Krise sieht. Kanzlerin Angela Merkel hatte sich Anfang September in einem Telefonat mit Staatschef Xi Jinping als Vermittlerin angeboten und eine Neuauflage der Iran-Runde als Lösungsversuch ins Gespräch gebracht.

Gabriel für "neue Entspannungspolitik"

Gabriel, der nach der Eröffnung der Ausstellung noch mit Chinas außenpolitisch wichtigsten Staatsratsmitglied Yang Jiechi zusammentraf, plädiert für eine "neue Entspannungspolitik", um Bewegung in die festgefahrenen Strukturen zu bringen, ähnlich wie es einst Willy Brandt mit seiner Ostpolitik machte, sagte er vor Journalisten in Peking. Dazu sollten China, Russland und die USA gemeinsam handeln. Deutschland, das eine Botschaft in Pjöngjang unterhält und "eigene "Zugänge" nach Nordkorea habe, könnte helfen.

Grundlage dafür sei die gemeinsame Sorge, um zu verhindern, dass Nordkoreas Atomwaffen weiterverbreitet werden und sein Weg von anderen Staaten, etwa in Anfrika, kopiert werde. Alle müssten dafür über ihren Schatten springen, die USA mit Russland zusammenarbeiten. China wolle kein atombewaffnetes Nordkorea sehen, habe aber noch mehr Angst vor einem Kollaps des Regimes. Es sollte weniger die US-Präsenz in der Region fürchten, als das Nordkoreas Beispiel Schule macht. Nach seinem Gespräch mit Yang sagte Gabriel, dass es gegenüber Nordkorea einer doppelten Strategie aus Druck und Dialog bedarf.

Der deutsche Minister hatte früher schon China mit seinen offenen Worten herausgefordert. Er kritisierte Pekings anhaltende Menschenrechtsverstöße, die verschärften Sicherheits- und Kontrollgesetze gegen Nichtregierungsorganisationen (NGO). Er forderte eine Untersuchung der Umstände, die zum Tod des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo führten und verlangte die Freilassung seiner bis heute rechtwidrig in Sippenhaft gehaltenen Witwe Liu Xia. Wirtschaftlich warf er Peking "Faulspiel" vor, weil es Auslandsunternehmen in China systematisch benachteilige und Markthürden aufbaut. Im Ausland nehme es sich alle Rechte heraus und kaufe mit Staatshilfe gezielt Hochtechnologienfirmen auf. Pekinger Medien attackierten dafür Gabriel. Aber keine seiner Interventionen lösten nachhaltige negative Folgen aus. (Johnny Erling, 17.9.2017)