Die neue Puls-4-Senderchefin will, dass sich ATV und Puls 4 ergänzen.

Foto: APA/HANS PUNZ

Wien – 20 Jahre arbeitete sie am ORF-Fernsehprogramm mit, entwickelte Dokutainment-Formate wie "A-Team" und "Undercover Boss" und leitete die Song-Contest-Delegation. Montag hat Stefanie Groiss-Horowitz (40) ihren ersten offiziellen Arbeitstag als Senderchefin von Puls 4. Der Sender gehört zu Österreichs größter privater Fernsehgruppe ProSiebenSat1Puls4 mit eindrucksvollen Gewinnen. Im Frühjahr übernahm die Gruppe auch Konkurrent ATV samt ATV 2. Groiss will die Puls-4-Quoten kontinuierlich steigern.

Im Oktober will sie mit der Actionshow "Ninja Warrior Austria" zweistellige Sendungsmarktanteile erreichen, sagt sie dem STANDARD. Die deutsche Version auf RTL räumt derzeit in Österreich schon gut ab. Im November will sie die Puls-4-Nachrichten optisch neu gestalten, mit denen sie um 20 Uhr das Satireformat "Fourlaut" ersetzte.

Puls 4 soll zudem merklich mehr deutschsprachige Free-TV-Premieren zeigen, wie Freitag etwa "Fast & Furious 7", und sich so als "Spielfilmsender" positionieren. Groiss räumt ein, dass solche Rechte der deutsche Mutterkonzern einkauft: "Wir haben bei ProSiebenSat1 jemanden, der an uns denkt. Der Österreich-Sender Puls 4 wird wertgeschätzt, trotzdem müssen wir die Hollywood-Premieren aus unserem lokalen Puls 4 heraus stemmen."

STANDARD: Wenn man ORF-General Alexander Wrabetz glaubt, dann sind Sie gerade vom Reich des Lichts in jenes der Finsternis gewechselt, zum börsennotierten privaten Fernsehen, das bei bröckelnden Kursen des Mutterkonzerns noch mehr Profit aus dem österreichischen Markt holen muss. Warum tut man das denn?

Groiss-Horowitz: Es gibt wenige Programmmacher in dem Land, die den Job des Puls-4-Senderchefs nicht angenommen hätten.

STANDARD: ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner vielleicht.

Groiss-Horowitz: Puls 4 ist der größte Privatsender des Landes, der regelmäßig Themen setzt, der in allen Bereichen Relevanz hat – mit Information, mit Sport, mit Unterhaltung – und bei der Bevölkerung erfolgreich ankommt.

STANDARD: Wenn es so rund läuft bei Puls 4 – warum hat ProSiebenSat1Puls4 Sie als Senderchefin geholt?

Groiss-Horowitz: Puls 4-Gründer Markus Breitenecker erweitert sein Spielfeld ja fast quartalsweise – und er hat nicht zuletzt seit und wegen der Übernahme von ATV nun zwei Senderchefs eingesetzt. Zudem wurde mein Vorgänger Johannes Kampel auf zwei Jahre eingesetzt, um die Strukturen aufzustellen.

STANDARD: Eine der zentralen Aufgaben bei ProSiebenSat1Puls4 nach der Übernahme von ATV dürfte sein, ATV und Puls 4 so zu positionieren, dass sie einander ergänzen. Ist Puls 4 da der männlichere Sender – der "Top Model" an ATV abgeben muss und weiter Europa League spielt?

Groiss-Horowitz: Wenn man ein Vollprogramm sein will, kann man sich nicht in solchen Kategorien positionieren. Wir werden in einem sehr geschickten System versuchen, unsere Stärken gemeinsam auszuspielen. Wenn ATV am Donnerstag "Austria's next Topmodel" hat und Puls 4 dagegen die Euro League spielt, ist das ein tolles Gesamtangebot. Wir werden einander nicht wehtun. Wir versuchen, möglichst viele diverse Zuschauersegmente gemeinsam abzuholen.

STANDARD: Und wer steht beim Abholen wo?

Groiss-Horowitz: Jeder Sender muss bei der Positionierung seinen Stärken folgen: Bei Puls 4 ist das klar der Fokus auf Premium-Unterhaltung und Public Value. Und Puls 4 hat ab diesem Herbst erstmals eine Chance, sich als Spielfilmsender zu positionieren.

STANDARD: Warum wäre das die erste Möglichkeit?

Groiss-Horowitz: Beharrlichkeit ist hier ein Betriebsmittel. Das trägt nun Früchte in den Free-TV-Verhandlungen. Wir hatten am Freitagabend auf Puls 4 die deutschsprachige Free-TV-Premiere "Fast & Furious 7". Das wird es künftig häufiger bei Puls 4 geben.

STANDARD: Puls 4 fährt aber wohl nicht allein zu den US-Majors und versucht dort, auf eigene Faust einzukaufen.

Groiss-Horowitz: Das sind natürlich Konzernverhandlungen, von denen wir profitieren, trotzdem müssen wir die Hollywood-Premieren aus unserem lokalen Puls 4 heraus stemmen. Jeder Sender in dem Land hat eben auch Vorteile durch seine Organisationsstruktur. Und wir haben bei ProSiebenSat1 jemanden, der an uns denkt. Der Österreich-Sender Puls 4 wird wertgeschätzt, ist als eigenständiger Player gut angeschrieben und keine Abspielstation nach Excel-Listen.

STANDARD: Ist gegen die TV-Konkurrenz Netflix und Amazon, wenn zuerst bei Pay-Angeboten internationale Blockbuster laufen, "Spielfilmsender" eine zukunftsweisende Antwort?

Groiss-Horowitz: Natürlich nicht ausschließlich, aber Spielfilmsender heißt, die beste Fiction nach den eigenen Möglichkeiten zu haben. Es ist ein Unterschied, ob ein Sender jede Kaufware nehmen muss, damit sein Programm voll wird – das verstehe ich unter einem Abspielsender. Ein Spielfilmsender muss Kompetenz in dem Genre aufbauen. Das geht nur mit Premieren, wenn man die Kracher hat, wenn man Erster ist. Das wird jetzt immer wieder gelingen. Das heißt aber nicht, dass man die Quantität erhöht. Ganz im Gegenteil. Wir sind beharrlich daran, den Fiction-Anteil zu reduzieren und uns auf die Kracher zu konzentrieren. Das geht nicht von heute auf morgen.

STANDARD: Und was hat man im Eigenbau zu erwarten?

Groiss-Horowitz: Puls 4 steht auf den Säulen eigenproduzierte Unterhaltung, Sport, Fiction und Public Value.

Zuvor war Stefanie Groiss-Horowitz jahrelang für den ORF tätig.
Foto: APA/HANS PUNZ

STANDARD: Ist Public Value noch ein Artefakt Ihres bisherigen ORF-Jobs?

Groiss-Horowitz: Public Value gehört nicht zuletzt durch Gründer Markus Breitenecker zur DNA dieses Senders, er ist aus dem Selbstverständnis des Senders nicht wegzudenken. Wir sind eine Alternative zu bestehenden Angeboten in allen Genres – und keine schlechte, möchte ich sagen.

STANDARD: Public Value meint hier?

Groiss-Horowitz: Daily News in einer Wahrnehmbarkeit und Qualität, die Sinn macht. Ebenso den verlässlich wöchentlichen Politik-Talk oder die Wahlsendungen. Wir zeigen neben der ersten Live-TV-Diskussion der Spitzenkandidaten am 24. September am 4. Oktober zusätzlich einen Themenabend über: Was hilft gegen Terror? "Puls 4 News"-Kollegin Magdalena Punz hat ein Exklusivinterview mit dem IS-Heimkehrer Oliver N. geschafft. Sie hat aus diesem Interview eine sehr, sehr eindringliche Dokumentation gemacht. Von Fox USA bis zu "Die Zeit" wollen alle mit dem jungen Mann reden – wir haben ihn und machen daraus einen Themenabend, mit "Pro und Contra Spezial". Auf solche Abende kann man stolz sein.

STANDARD: Das heißt bezüglich der Positionierung: Puls 4 ist Information, Public Value, ATV nicht so?

Groiss-Horowitz: Wenn man sich die News auf ATV ansieht und man erkennt, wie viele Menschen sie damit erreichen, dann machen die was richtig. Da kann man nicht sagen, das würde dort keine Rolle spielen. Bei unserem gemeinsamen Wahltag am 15. Oktober ist ATV zum Beispiel auch federführend.

STANDARD: Und die neue Senderchefin macht die Daily News auf dem neuen Sendeplatz einfach so weiter?

Groiss-Horowitz: Wir werden die "Puls 4 News" im November relaunchen. Da geht es mir im ersten Schritt gar nicht so um Inhalte, sondern um eine eigenständige Präsentation der News. Dafür haben wir ein paar Ideen, wie man schon durch die visuelle Aufmachung beim Zappen hängenbleiben kann.

STANDARD: Nämlich?

Groiss-Horowitz: Dazu sage ich noch nichts. Wir haben jetzt einmal als erste Maßnahme …

STANDARD: … "Fourlaut" abgedreht und stattdessen um 20 Uhr Nachrichten platziert.

Groiss-Horowitz: Wir sehen das gerade in Wahlkampfzeiten als das attraktivere Angebot und werden das auch nach der Wahl fortsetzen. Im Fernsehen kommt es vor, dass ein Format beim Publikum nicht greift, auch wenn, so wie "Fourlaut", es eine gute Idee ist und das Team gut ist. Dann muss man die Konsequenz ziehen. Aber das Team haben wir mit einem anderen Projekt betraut.

STANDARD: Nämlich?

Groiss-Horowitz: Dafür ist es noch zu früh.

STANDARD: Gibt es Eigenproduktionspläne, über die Sie sprechen?

Groiss-Horowitz: Wenn wir über Programmpläne reden, dann müssen wir über "Ninja Warrior" reden. Das ist der größte TV-Event, den der Sender je gemacht hat, im größten Studio, das der Sender je bespielt hat.

STANDARD: Wo denn?

Groiss-Horowitz: In Budapest wurde in Koproduktion und Kooperation mit dem ungarischen Privatsender TV2 die Halle dafür gebaut. Wir werden versuchen, solche Partnerschaften zu forcieren.

STANDARD: Was kostet denn die größte Show in der Puls-4-Geschichte?

Groiss-Horowitz: Ich habe gesagt, die größte, nicht die teuerste.

STANDARD: Weitere Unterhaltungspläne?

Groiss-Horowitz: Über die vergangenen Jahre hat sich hier die Unterhaltungskompetenz gut gefestigt. "2 Minuten 2 Millionen" ist eines dieser Highlight-Formate. Das kennt jeder im Land und redet darüber. Wir werden versuchen, neue Programmfarben aufzumachen – wir evaluieren einige Richtungen.

STANDARD: Welche?

Groiss-Horowitz: Ich habe Montag meinen ersten Arbeitstag als Senderchefin. Ich bitte um Verständnis, dass ich da noch keinen fertigen Katalog vorlege, was wir alles neu machen. Aber es gibt bei Puls 4 auch kein reparaturbedürftiges Genre.

STANDARD: Was tun Sie dann?

Groiss-Horowitz: Wir bauen auf dem guten Fundament weiter auf. Es wird die Aufgabe sein, gemeinsam mit Partnern – Produktionsfirmen, anderen Sendern, in der Werbewirtschaft – Synergien zu finden und Allianzen zu schmieden, um weiterwachsen zu können. Das ist ganz klar unser Ziel.

STANDARD: Was hat man sich unter Allianzen vorzustellen?

Groiss-Horowitz: Das kann von einer Koproduktion wie "Ninja Warrior" oder einer klassischen Koproduktion bis zu gemeinsamen Interessen mit der Werbewirtschaft, zusammen Programm zu machen, reichen.

STANDARD: Wie sieht es mit Fiction aus?

Groiss-Horowitz: Selfmade? Ein großer Traum.

STANDARD: Gab es da nicht einmal eine – eher enttäuschende – gemeinsame Vorabendserie mit Sat1?

Groiss-Horowitz: Das war "Mila". Koproduktionen mit deutschen Sendern kann man natürlich machen. Oft macht das auch Sinn. Aber man muss sich bewusst sein, dass man dafür deutsche Fiction bekommt.

STANDARD: Eigenproduzierte Fiction ist also sehr weit weg?

Groiss-Horowitz: Es gibt hier sogar ein paar Stoffe, Ansätze, Ideen. Es müsste uns schon etwas sehr Schlaues einfallen, damit wir uns österreichische Fiction leisten können. Aber es gibt nichts, worüber wir nicht nachdenken in der ProSiebenSat1Puls4-Game-Changer-Mentalität: Geht nicht, gibt’s nicht, das wird hier schon sehr stark gelebt. Manchmal muss man die Leute eher bremsen. Die berühmte Schere im Kopf gibt es hier selten.

STANDARD: Ist das – nach zwei Jahrzehnten im ORF – neu für Sie?

Groiss-Horowitz: Anders. Der Spirit, der Zugang hier, ist schon besonders.

STANDARD: Das Mantra im ORF scheint zu sein: Das können wir uns nicht oder nicht mehr leisten, jenes neue Programm ist nicht finanzierbar. Das ORF-Fernsehbudget liegt etwa bei 430 Millionen Euro. ProSiebenSat1Puls4 setzt in Österreich insgesamt rund 150 Millionen Euro um. Welches Budget haben Sie denn für Puls 4?

Groiss-Horowitz: So viel kann ich sagen: weniger.

STANDARD: Wie kommt man dann hier – auch im Vergleich – auf die von Ihnen beschriebene Geht-nicht-gibt's-nicht-Stimmung?

Groiss-Horowitz: Ich hätte keine Chance mit diesem Programm, wenn ich sagen würde: Leider geht sich das nach einer ersten Kalkulation nicht aus, also tut’s mir leid. Das ist inakzeptabel hier. Das entspricht nicht dem Geschäftsmodell von Privatfernsehen, und von Puls 4 schon überhaupt nicht. Es ist wichtig, neue Partnerschaften zu finden. Sich zu überlegen: Was kann ich beitragen, was kann mir wer anderer geben? Das muss mehr sein als klassische Finanzierungsmodelle, die gelernt sind. Es ist für das Fernsehen überlebensnotwendig, neue Wege zu finden, sich zu finanzieren, Partnerschaften aktiv zu suchen und nicht darauf zu warten, dass wer kommt, mit den Scheinen wachelt und etwas anbietet. Unsere Produktionsvolumina werden sich nicht von selbst erhöhen. Das ist unser Job.

STANDARD: Nach dem Motto: Geht sich nicht aus, machen wir trotzdem?

Groiss-Horowitz: Natürlich nicht, Es hat keinen Sinn, etwas auf den Schirm zu bringen, von dem man selbst weiß: Das ist eher Radio als Fernsehen. Aber: Ganz oft geht es nicht ums Geld. Es geht um Zeit. Ideen sind deshalb nicht leistbar, weil sie innerhalb weniger Monate passieren müssen. Wenn eine langfristige Planung gelingt, bei der ich mit guten Inhouse-Synergien und guten Partnerschaften gute Deals machen kann, weil ich verlässlich bin, dann wirkt sich das meistens auf das Budget aus. Blöd sind Hauruckaktionen. Inhaltlich und budgetär.

STANDARD: Sie sprechen von einem soliden Fundament und Ausbau. Die Marktanteile von Puls 4 und ATV sind doch im vergangenen Jahr gleichermaßen zurückgegangen.

Groiss-Horowitz: Der Eindruck täuscht. ATV legt seit Frühjahr kontinuierlich zu, das ist eine Erfolgsstory. Und Puls 4 ist stabil, gewinnt sogar leicht. Das ist schon etwas, wenn man bedenkt: ProSiebenSat1Puls4 hat einige Maßnahmen gesetzt, um ATV zu helfen. Serien wie "Castle" und "The Mentalist" sind von Puls 4 zu ATV gewandert, um dort Zeitzonen zu stabilisieren, und das hat hervorragend funktioniert. Dasselbe gilt für "Austria's next Topmodel". Ich finde es eigentlich ein wenig schade, dass das nicht weiterhin auf Puls 4 läuft – das ist eine Signature-Show des Senders.

STANDARD: "Ninja Warrior" ist schon ein ganz guter Trost.

Groiss-Horowitz: Wir haben’s gut kompensiert. Und Ziel ist, dass beide weiterwachsen.

STANDARD: Was wird "Ninja Warrior" den Puls-4-Marktanteilen bringen?

Groiss-Horowitz: Ich hoffe, dass wir mit "Ninja Warrior Austria" immer mal wieder an der Zweistelligkeit kratzen können.

STANDARD: Zweistelliger Sendungsmarktanteil in der Zielgruppe also?

Groiss-Horowitz: Bei so einer Geschichte geht es nicht darum, ob wir zwei Prozentpunkte mehr oder weniger haben. Obwohl es schön ist, wenn es zwei mehr sind. Das muss ins Image des Senders einzahlen, muss wie unsere Wahlkonfrontationen im Land besprochen werden. Es macht klar, was Puls 4 am Eventsektor leisten kann. Das ist ein Prestigeprodukt für uns. Schade fände ich, wenn’s kein Thema würde.

Wäre Puls 4 eine Person, wäre der Sender laut Groiss-Horowitz der Erfinder Daniel Düsentrieb.
Foto: APA/HANS PUNZ

STANDARD: Wenn der Sender, den Sie jetzt leiten, eine Person wäre: Wie würden Sie die beschreiben?

Groiss-Horowitz: Daniel Düsentrieb. So schlau und wendig, mit innovativem Zugang. Hier läuft man keinem Trend nach, die erfolgreichsten Sendungen finden fast antizyklisch Platz im Programm. Und es herrscht ein gewisses Selbstverständnis, ein Selbstbewusstsein, dass Dinge gemacht werden, weil sie wichtig und richtig sind. Nicht um einen Auftrag zu erfüllen, oder weil sich’s gehört, oder weil man’s angeblich braucht. Sondern weil … die meisten finden, es ist eine gute Idee.

STANDARD: Aber nicht alle?

Groiss-Horowitz: Es können nicht immer alle alles super finden. Puls 4 ist schon eine Community. Wie sich hier etwa alle freuen, dass etwa die Wahlsendungen funktionieren. Das liegt sicher auch daran, wie der Sender gewachsen ist, sicher auch an der Integrationsfigur Markus Breitenecker. Da ziehen alle an einem Strang, und alle freuen sich gemeinsam. Das schweißt diese Partie über weite Strecken so zusammen.

STANDARD: Ist das ungewohnt für Sie?

Groiss-Horowitz: Schon wenn man aus einer deutlich größeren Organisation kommt, ist das ungewohnt. Hier herrscht aber ein Spirit, ein Gemeinschaftssinn, den man unbedingt erhalten muss, auch wenn dieses Unternehmen weiterwächst. Es herrscht hier eine Offenheit, keine Geheimniskrämerei, es wird nicht im stillen Kämmerlein etwas ausgedacht. Da liegen sehr viele Karten offen auf dem Tisch. Da fühlen sich alle als Teil des Erfolgs, weil sie von Anfang an Teil der Produktionen, der Ideen, der Geschichten sein können. Das wirkt auf die Motivation der Mitarbeiter, und die ist das Betriebsmittel für die nächste Produktion. Das ist ein Grund für das hohe Innovationslevel hier. Und für eine sehr schöne Top-Flop-Rate bei Puls 4. Selten hauen wir ganz daneben. Obwohl auch das zum Fernsehen gehört.

STANDARD: Fürchtet sich die neue Puls-4-Senderchefin eigentlich vor der vielleicht doch noch einmal einsetzenden Reform von ORF 1 – immerhin wenden sich beide Sender an eine jüngere Zielgruppe und an die Werbewirtschaft. Und die Reform soll ja auch auf so etwas wie Public Value setzen.

Groiss-Horowitz: Nein. Wir schauen weiterhin weder nach rechts noch links und versuchen neue Felder anzupacken, in denen wir die Ersten sind. Wo wir schneller als andere ein Angebot auf dem Schirm haben.

STANDARD: Aber bloß keine Hauruckaktionen, die sind ja teuer, wie Sie gesagt haben.

Groiss-Horowitz: Deshalb versuchen wir, langfristig zu wissen, wo unsere Reise hingeht. Problematisch wird es ja dann, wenn ich meinen Weg und meine Strategie nicht definiere, sondern mich permanent umschaue und abwarte, was wer macht, und dann reagiere. So lässt sich dieser Sender nicht führen.

STANDARD: Kein Sender, oder?

Groiss-Horowitz: In Wahrheit kein Sender. Es sendet immer irgendwer, es ist immer irgendwas. Es reicht nicht, nur dann gut zu sein, wenn alle anderen nichts machen.

STANDARD: Nach Ihren Worten geht es darum zu wissen, wo die Reise hingeht. Wohin geht denn Ihre Reise? Laufen Sie sich hier warm für eine Rückkehr in den ORF, dann als Generaldirektorin oder Fernsehdirektorin? Oder für die Führung von ProSiebenSat1Puls4, wenn deren Boss Markus Breitenecker doch noch ORF-General wird?

Groiss-Horowitz: Montag ist gerade mein erster Arbeitstag. Ich bin gekommen, um mich langfristig um diesen Sender zu kümmern und maßgeblich dazu beizutragen, dass dieser Sender wachsen kann. Das ist mein Ziel. Das erfordert meine ganze Aufmerksamkeit. (Harald Fidler, 18.9.2017)