Budapest/Straßburg – Eine Delegation des Europaparlaments beginnt am heutigen Montag eine dreitägige Finanzprüfung in Ungarn. Die Mitglieder des Haushaltskontrollausschusses wollen kontrollieren, ob die ungarischen Behörden sorgsam mit EU-Fördermitteln umgehen. Die rechtskonservative Regierung wertet die Mission als "politischen Angriff", wie das Portal 24.hu meldet.

Für Aufregung in Budapest sorgt, dass sich die EU-Mandatare bei der Prüfung nicht an Vorschläge Ungarns halten, sondern die kontrollierenden Projekte selbst auswählen. Kanzleramtsminister Janos Lazar bezeichnete es in einem Brief an die Ausschussvorsitzende Ingeborg Gräßle als "empörend", dass von tausenden EU-finanzierten Projekten ausgerechnet eines ausgesucht worden sei, das im Heimatort von Premier Viktor Orban realisiert worden sei.

"Bummelzug" gefördert

Medien erinnern daran, dass die EU in Felcsut einen "Bummelzug" gefördert hat, der 25 Minuten für eine sechs Kilometer lange Strecke braucht und nur wenige Passagiere habe. Der sozialistische Europaabgeordnete Istvan Ujhelyi warf Orban vor, er und sein Kreis hätten EU-Gelder "abgeräumt und sie Verwandten oder parteitreuen Geschäftsleuten zugespielt".

Lazar wiederum kritisierte, dass EU-Projekte in oppositionell regierten Ortschaften nicht kontrolliert würden. Gräßle wies die Behauptung einer "politischen motivierten Prüfung" zurück. "Wir lassen nicht zu, dass die ungarische Regierung darüber entscheidet, was wir kontrollieren", sagte sie.

Metrolinie und Musikakademie werden untersucht

Untersucht werden soll Medienberichten zufolge auch die Budapester Metrolinie 4 und die Musikakademie. Das Verhalten der ungarischen Regierung gegen die Kontrolle sei eine "beispiellose Sabotage" und könnte nur zur "Verstärkung des Korruptionsverdachtes" führen, sagte der Oppositionsabgeordnete Benedekt Javor, der dem Parlamentsausschuss angehört. Er erinnerte daran, dass der Besuch in Ungarn schon vor einem Jahr beschlossen worden sei.

Ungarn steht wegen Übergriffen auf Rechtsstaat, Demokratie und Menschenrechten innerhalb der Europäischen Union unter Druck. Das Europaparlament hat im Mai ein Sanktionsverfahren nach Artikel 7 gegen das Land eingeleitet. Weil sich Budapest weigert, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Aufnahme von Flüchtlingen umzusetzen, wird auch der Ruf nach Kürzungen von EU-Fördergeldern für das Land immer lauter. (APA, 18.9.2017)