Anna Franceschinis "Discolite" ist im Top-Kino zu sehen.

Foto: Helmut Ploebst

Wien – Im Korridor zu den Sälen des Top-Kinos liegt eine Tänzerin, halb verdeckt von einem silbrigen Rundreflektor, wie ihn Filmer oder Fotografen verwenden. Der Reflektor in der Performance mit dem ironischen Titel Discolite (2016) der Mailänder Künstlerin Anna Franceschini ist als Fetisch gemeint, der Körper ebenso.

Discolite, Teil einer von Eva Fabbris im Rahmen von Curated By (diesjähriges Motto: "image/reads/text") für die Galerie Steinek gestalteten Ausstellung, ist eine echte Spezialität, die zusammen mit dem Film Monelle (2017) des Italieners Diego Marcon ins Top-Kino ausgelagert wurde.

Hinführende Werke beider finden sich im Galerieraum. Marcon zeigt eine Installationsversion seines Films und Franceschini ihr Videoprojekt The Diva Who Became An Alphabet (2014), in dem sich eine zerschnittene Filmleinwand bewegt, auf die das stilisierte Portrait einer jungen Frau im 1920er-Jahre-Look projiziert ist.

Ein Gesicht, wie es in Discolite der Tänzerin Andrea Gunnlaugsdóttir genommen bleibt, weil ihr Kopf permanent vom Reflektor verdeckt ist. Dessen Bespannung dient sonst der Streuung von Licht, wirkt hier aber durch ihre Fältchen und Runzeln wie die Haut eines Menschen. Gunnlaugsdóttir ist also ausgestellt und ausgeblendet zugleich.

Mit Ausstellung und Ausblendung arbeitet auch Marcon, der seine Kamera im Inneren der Casa del Fascio im italienischen Como postiert hatte. Auf der Leinwand im Top-Kino herrscht bei Monelle eine Finsternis, die durch starke Blitze zerrissen wird. Sekundenkurz tauchen sie die Räume der Casa in grelles Licht. Dann sind gespenstische Mädchen zu sehen, aber auch Szenen, die an Horrorfilme erinnern: eine alte Frau starrt mit irrem Blick, ein Körper wird weggeschleift, ein schwerer Ballen stürzt von einer Balustrade.

Nicht weniger unheimlich erscheint letztlich auch Discolite. Die Tänzerin bewegt sich schleichend, ihre Hände kriechen hinter dem Reflektor hervor. Eine Untote der Unterhaltungskultur. So wie die Casa del Fascio – erbaut in den 1930ern von und einst lokales Quartier der Mussolini-Faschisten – ein Zombie totalitärer Architektur ist. (Helmut Ploebst, 18.9.2017)