Folgendes Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, man müsse auf eine Insel auswandern, weil die Zustände im Land unerträglich geworden sind. Man dürfte aber nur einen einzigen kleinen Koffer mitnehmen und folglich nur ein einziges Hautpflegeprodukt. Vor allem für Frauen keine leichte Entscheidung, die meisten haben ganze Bataillone von Fläschchen und Tiegelchen im Badezimmer stehen – und verwenden sie auch: Da gibt es diverse Reinigungsprodukte, Tonics zum Sprühen und natürlich Tages- und Nachtcremes.

Vielleicht auch noch ein Serum und ein Spezialprodukt für die Augen, Peelings und Masken – und dann natürlich auch noch die Körperpflege! Da ist ein kleiner Koffer schnell rammelvoll, und die Frage drängt sich auf: Was von alledem brauche ich wirklich?

"Eine Feuchtigkeitscreme", sagt die Wiener Hautärztin Julia Lämmerhirt, ohne lange nachzudenken, schränkt dann aber ein: "Wenn auf der Insel jeden Tag die Sonne scheint, würde ich eine Feuchtigkeitscreme mit UV-Schutz empfehlen", sagt sie. Immer wieder hört sie von Patientinnen, die tatsächlich nur mit einem einzigen Kosmetikprodukt verreisen und ihr berichten, wie gut das funktioniere. "Keine Heizungsluft, keine Aircondition, die meisten unterschätzen die Wirkung dieser äußeren Faktoren auf die Haut", sagt sie. Wer viel an der frischen Luft ist, sich gesund ernährt und keinen inneren Stress hat, habe weniger Hautprobleme. Je mehr Ärger, umso größer sei die Lust, sich hautpflegetechnisch Gutes zu tun.

Die Produktvielfalt ist zunehmend unübersichtlich geworden – Einfachheit heißt das neue Credo.
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1,6 Milliarden für Haut- und Körperpflege

Insofern könnten die Zahlen des Euromonitor zu den Ausgaben der Österreicherinnen am Kosmetikmarkt auch Rückschlüsse auf die allgemeine Lage der Nation zulassen. Insgesamt 1,6 Milliarden Euro werden in Haut- und Körperpflegeprodukte investiert, 330 Millionen in Hautpflege, 260 Millionen davon gehen ins Gesicht. Denn, so Lämmerhirt, wer die Haut gar nicht pflegt, bekomme eben eine dermatologisch abgehärtete, sprich ledrige, faltige und mit Pigmentflecken und schuppigen Stellen übersäte Haut – das Gegenteil des Schönheitsideals also, wer cremt, tut es für Weichheit, Prallheit und Glätte.

Trotzdem ist die Produktvielfalt zunehmend unübersichtlich geworden. Vor allem in Japan gibt es eine Sehnsucht nach Einfachheit. Vor allem bei jüngeren Zielgruppen. Shiseido hat gerade die neue Kosmetiklinie Waso auf den Markt gebracht: übersichtlich, überschaubar und ohne viel Ritual. Dito die japanischen Rivalen von Kanebo, die seit Jahren den Namen Sensai gepusht haben und jetzt für die simplere Linie Chrono Beauty wieder auf ihren alten Namen umschwenken. Es sind Hautcremes, die "sich dem Tagesrhythmus anpassen".

Oft ergibt sich die Einfachheit aber auch automatisch durch die Produktauswahl. Neu in Österreich ist die Kosmetiklinie Radical Skincare, die mit einem kleinen Sortiment auf Anti-Aging setzt.

Auch bei Naturkosmetik ergibt sich die neue Einfachheit oft durch die Reduktion auf das Wesentliche, etwa bei Desmarés, einer siebenteiligen Kosmetiklinie aus Mallorca – von der Insel für die Insel sozusagen. Radikal der Ansatz auch von Dr. Hauschka: "Ich denke, dass die Waschcreme das essenzielle Produkt ist, es reinigt und bringt Feuchtigkeit", so Hauschka-Trainerin Ksenia Varga, nur für sehr trockene Haut empfiehlt sie die Rosencreme.

Noch einmal zurück zum Inselgedanken: Eine Creme für alles, gibt es das? Sprich, gibt es tatsächlich Unterschiede zwischen Gesichts- und Körperhaut? "Ja, die Haut im Gesicht ist dünner", so Lämmerhirt, "ein Gesichtsprodukt am Körper anzuwenden ist sicherlich nicht falsch, aber eben sehr teuer." (Karin Pollack, RONDO, 18.10.2017)

Shiseido Waso (japanisch "wa" – Sanftheit, "so" – Inspiration): drei Linien für drei Hauttypen
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Radical Skincare Ein übersichtliches Pflegeprogramm aus Los Angeles, neu in Österreich.
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Dr. Hauschka glaubt an Selbstregulationskräfte in der Haut – pus Gesichtswasch- und Rosencreme.
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Kanebo setzt mit der tageszeitflexiblen Pflegelinie Chrono Beauty ein Zeichen der Unkompliziertheit.
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