Diese Woche (am Donnerstag und Samstag) finden gleich zwei Protesttage gegen Macrons Reform statt. Frankreichs Linke hätte gute Chancen gehabt, sie zu Fall zu bringen. Jean-Luc Mélenchon (Unbeugsames Frankreich, li.) und Kommunistenchef Pierre Laurent (re.) sind aber nicht gewillt, an einem Strang zu ziehen.

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Sie hätten es in der Hand, Emmanuel Macron mit vereinten Kräften in die Knie zu zwingen. Sie könnten an die großen Zeiten der französischen Protestkultur anknüpfen – wie 2006, als die konservative Regierung auf Druck der Straße ein Projekt für einen neuen Jugendarbeitsvertrag zurückziehen musste. Oder wie 1995, als Premier Alain Juppé seine Rentenreform fallenließ, nachdem er sich gegenüber den Streikenden "aufrecht in den Stiefeln" gewähnt hatte.

Mit seiner unbedachten Bemerkung über die "Faulpelze" im Land hat Macron zudem Öl ins Feuer gegossen. Doch die französische Linke scheint nicht gewillt, den Vorteil auszunützen: Sie geht heillos zerstritten in den Kampf. Vergangene Woche rief einzig die ehemals kommunistische Großgewerkschaft CGT zum Streik auf und brachte landesweit nur gut 200.000 Leute auf die Straße. Das ist zum Teil Macrons Werk, der die gemäßigten Gewerkschaften FO und CFDT geschickt taktierend zum Stillhalten überredet hatte.

Am Donnerstag, kurz bevor die endgültige Fassung der Arbeitsreform publik wird, doppelt die CGT mit einem neuen Aktionstag nach – und wieder allein. Getrennt davon ruft die Linkspartei Unbeugsames Frankreich von Jean-Luc Mélenchon zu einer eigenen Kundgebung auf – am Samstag. Im entscheidenden Moment, der über den Erfolg oder Misserfolg von Macrons fünfjähriger Amtszeit bestimmen wird, tritt die Linksopposition gespalten an. Ein ziemlicher Luxus.

Spaltpilz Mélenchon

Nach dem langen Niedergang der französischen Kommunisten sind bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr auch die Sozialisten hoffnungslos eingebrochen. Irgendwo dazwischen versucht sich Mélenchon mit seinem "Ökosozialismus" zu etablieren. Der 66-jährige Neoveganer und Chavist behauptet vielleicht nicht ganz zu Unrecht, mit der Unterstützung aller Linkswähler hätte im Mai nicht Macron (24 Prozent im ersten Wahlgang) die Wahl gewonnen, sondern er selbst (19,6 Prozent). Denn der Linkssozialist Benoît Hamon war im ersten Durchgang auf 6,4 Prozent der Stimmen gekommen.

Mélenchon ist allerdings selbst der größte Spaltpilz. Auf die Sozialisten drischt der wortgewaltige Tribun fast noch lieber ein als auf die Rechte. Und gegenüber den einst moskauhörigen Kommunisten melden sich aus seiner Studentenzeit immer wieder trotzkistische Reflexe zurück – Mélenchon war in den Siebzigern ein Lokalchef der geheimbündlerischen OCI gewesen.

Am Wochenende boykottierte er die "Fête de l’Humanité", das jährliche Fest der französischen Arbeiterbewegung im roten Banlieue-Gürtel von Paris. Dafür lästerte er über eine "KP-Leitung in Seenot". Kommunistenchef Pierre Laurent gab postwendend bekannt, er werde Mélenchons Demo am Samstag fernbleiben. Die Basis verfolgt den Zoff der Parteispitzen ratlos mit. Im Präsidentschaftswahlkampf hatten die KP-Mitglieder ihren Generalsekretär Laurent noch desavouiert und sich in einer Urabstimmung hinter den Linksfavoriten Mélenchon gestellt. Vergangene Woche nahmen umgekehrt viele "Unbeugsame" an der Demo der CGT teil.

"Revolution stockt"

Die politischen Differenzen sind letztlich minimal, wenn man davon absieht, dass sich Mélenchon heute sehr ökologisch gibt, während die KPF und die CGT weiter für die Atomkraft eintreten. Aber wie ein Pariser Twitter-Kommentar an die Adresse Laurents und Mélenchons meinte: "Wenn Danton und Robespierre sich nicht zusammenspannen, stockt die ganze Revolution." Am Montag zeigte sich allerdings, dass Macron seine Reform noch nicht in trockenen Tüchern hat. Lastwagenchauffeure blockierten als Vorwarnung die Zufahrt zu einigen Städten. Sie kommen langsam darauf, dass sich ihre Berufsposition durch die Arbeitsmarktreform verschlechtern würde. Für kommenden Montag rufen sie zu einem nationalen Streiktag auf.

Beteiligt sind Chauffeure aller Gewerkschaften und aller Linksparteien, die sich nicht an Mélenchons und Laurents Parteiparolen halten. Und da sie mit ihren Sattelschleppern schnell einmal alle neun Raffinerien im Land blockieren könnten, sind Macron und Premier Édouard Philippe auf der Hut. Die Fernfahrer haben schon mehr als eine Regierung auf dem Gewissen. (Stefan Brändle aus Paris, 21.9.2017)