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Am Mittwoch demonstrierten in Barcelona nach Razzien der Polizei bei der Regionalregierung wieder zahlreiche Menschen.

Foto: Reuters / Albert Gea

STANDARD: Der Staatsanwalt lädt Sie zusammen mit weiteren 711 katalanischen Bürgermeistern vor. Was wird Ihnen vorgeworfen?

Sabater: Uns wird vorgeworfen, ein illegales Referendum zu unterstützen. Sie beschuldigen uns des Ungehorsams gegenüber dem Verfassungsgericht, der Spaltung Spaniens, der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Ich habe nichts weiter getan, als der katalanischen Autonomieregierung mitzuteilen, dass sie über die üblichen Wahllokale verfügen kann.

STANDARD: Müssen Sie befürchten, vom Amt enthoben zu werden?

Sabater: Ich habe keine Angst. Ich komme aus der Bewegung derer, die sich weigerten, Kriegsdienst, aber auch Ersatzdienst abzuleisten. Klar wurden viele Totalverweigerer zu Haftstrafen verurteilt, aber letztendlich wurde der all gemeine Kriegsdienst abgeschafft. Der Erfolg war deshalb möglich, weil wir viele waren. Das gilt jetzt auch wieder. Die Regierung überschreitet alle Grenzen des Rechtsstaats. Ich kann gar nicht anders, als das Referendum zu verteidigen und damit das Recht aller, sich frei zu äußern. Wenn ich deswegen bestraft werde, muss ich das auf mich nehmen.

STANDARD: Das ist Ihre Position als Bürgermeisterin, aber Sie sind auch verantwortlich für die Gemeindearbeiter und -beamten.

Sabater: Die Regierung hat bereits angefangen, Druck auf Beamte auszuüben. Dabei geht es nicht nur um den 1. Oktober, sondern auch um Veranstaltungen in einem gemeindeeigenen Lokal im Vorfeld. Ein Antrag und die Bewilligung einer Räumlichkeit werden von jemandem bearbeitet. Und der setzt sich der Strafverfolgung aus. Um das zu verhindern, haben wir in Badalona beschlossen, alle Bewilligungen von Mitgliedern der Stadtregierung unterzeichnen zu lassen.

STANDARD: Was wird am 1. Oktober passieren?

Sabater: Eines steht fest, eine überwältigende Mehrheit der Gemeindeverwaltungen steht hinter dem Unabhängigkeitsreferendum der Autonomieregierung. Wir wissen allerdings nicht, wie weit die Regierung in Madrid tatsächlich gehen wird. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass sie gerade jetzt, nach dem 11. September – dem katalanischen Nationalfeiertag –, auf die Bürgermeister Druck ausübt. Sie ging davon aus, dass dieses Jahr weniger Menschen auf die Straße gehen würden, dank der Angstkampagne. Und dann kamen mehr als eine Million. Diese friedliche, festliche Demonstration aller Altersgruppen und aller sozialen Schichten bringt die Regierung aus dem Konzept. Als Antwort macht sie noch mehr Angst. Die Regierung ist völlig unfähig, das Problem politisch anzugehen. Und das, obwohl immer mehr Kritik laut wird – auch international. Ich glaube, wir werden am 1. Oktober abstimmen. Wir werden nicht aufgeben.

STANDARD: Wird das Referendum endgültig sein, trotz aller Schwierigkeiten und des damit verbundenen Fehlens rechtlicher Garantien?

Sabater: Ich glaube, das hängt von der Beteiligung ab. Je mehr Menschen abstimmen, umso verbindlicher ist das Ergebnis. (Reiner Wandler, 21.9.2017)

Dolors Sabater ist Bürgermeisterin der katalanischen 200.000-Einwohner-Stadt Badalona. Die Pädagogin gehört zur Bürgerliste Guanyem Badalona (Gewinnen wir Badalona) rund um Podemos und die antikapitalistische CUP.
Foto: Reiner Wandler