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Malta ist vor allem für Tourismus, Banken und Online-Glücksspiel bekannt. Nun soll mit Blockchain-fokussierter IT ein weiterer Sektor entstehen.

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Maltas Premierminister Joseph Muscat hatte große Pläne. "Malta kann ein Pionier auf dem Feld der Blockchain-Technologie sein", sagte er im April bei der Vorstellung der nationalen Blockchain-Strategie. Blockchain ist die noch relativ junge Technologie, die hinter Kryptowährungen wie Bitcoin steht – sie ist dezentral, nicht manipulierbar und transparent.

Ausgerechnet in Maltas Hauptstadt Valletta, wo der Wind zwischen den Sandsteinhäusern noch ein wenig nach arabischen Silbermünzen schmeckt, solle die neue Finanzwirtschaft ihr Epizentrum haben. Ein gewagter Vorstoß, aber trotz Wahlkampfzeit ein glaubwürdiger – Malta gelang schon 2003 ein ähnlicher Coup: Die damalige Regierung regulierte und lizenzierte als erster EU-Staat Onlineglücksspiel, zusammen mit günstigen Steuerkonditionen zog das rudelweise Onlinekasinos und -wettanbieter an. Heute ist die Branche für zwölf Prozent von Maltas BIP verantwortlich.

Blockchain-Taskforce

Knapp fünf Monate sind seit der großen Ankündigung vergangen, das Thema Blockchain ist nun Silvio Schembris Baustelle. Der 32-jährige Slim-Fit-Anzugträger ist Staatssekretär für Finanzservices, Digitale Wirtschaft und Innovation, er gilt als eine der Zukunftshoffnungen der regierenden Labour Party. Unzählige Gespräche mit Stakeholdern habe er geführt, seit Montag gibt es eine Blockchain-Taskforce. "Sie ist für die Implementierung der Strategie zuständig. Es ist gut, der Erste zu sein – aber es ist noch wichtiger, es von Anfang an richtig zu machen", sagt Schembri.

Silvio Schembri erinnert in seinem Karriereweg und Gehabe an einen österreichischen Politiker, der mittlerweile Kanzlerkandidat ist.
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In den nächsten Tagen startet die erste Blockchain-basierte App der Regierung, mit ihr können Studenten ihre Zertifikate und Daten verwalten. Die Regierung wolle damit eine "Message" senden: Es wird nicht nur geredet, sondern schon gearbeitet. "Wir wollen ein komplettes Ökosystem schaffen, wir wollen wiederholen, was wir mit der Glücksspielindustrie geschafft haben", sagt Schembri dem STANDARD. Das Ökosystem soll vor allem investorenfreundlich sein: "Ein Investor kann seine Pläne in wenigen Tagen dem Premierminister präsentieren, wir sind beweglich. Das passiert in anderen Ländern nicht", sagt Schembri.

Auch Jonathan Galea hatte jüngst ein Meeting, und zwar mit dem Staatssekretär. Galea ist der Präsident von Bitmalta, der größten Kryptowährung-Lobbyorganisation der Insel, er übergab Schembri Empfehlungen für 20 Sofortmaßnahmen. Für den Anwalt ist es von zentraler Bedeutung, Programmierer ins Land zu holen: "Es gibt weltweit einen massiven Mangel an Blockchain-Programmierern. Wenn man diese hat, werden die Betriebe, die sie brauchen, folgen." Auch Schembri sieht das als "größte Herausforderung".

Neues Denken, alte Regeln

Man ist sich einig in der lokalen Blockchain-Community. Das kleine, abgelegene Malta ist eine überschaubare Bühne, die Darsteller kennen einander, Bitmalta will dabei "den Dialog zwischen dem privaten und öffentlichen Sektor erleichtern". Galeas Firma Intelliblock berät Firmen, die selbst ICOs (Initial Coin Offerings, vereinfacht gesagt: das Verbreiten einer neuen Kryptowährung zur Nutzung in einer zugrundeliegenden Plattform) planen. Er fordert: "Wir müssen aufhören zu denken, dass wir traditionelle Gesetze auf Blockchain-Technologie anwenden können – das geht meist nur mit den Gesetzesprinzipien. Wir müssen anfangen, auf eine andere Art zu denken und wenn nötig, das Rad von Grund auf neu erfinden."

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Malta ist alt, die Wirtschaft modern.
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Ein Satz, der genau so von Leon Siegmund kommen könnte. Auch der Deutsche ist ein prominenter Akteur auf Maltas Blockchain-Bühne, er rief Ende 2016 erstmals Bitcoin-Treffen auf Maltas Schwesterninsel Gozo ins Leben. Siegmund sagt Sätze wie "Bitcoin ist die Definition von genial", "Jedes Baby hat Staatsschulden per Geburt, ist das ein schlechter Witz?" und "Bitcoin ist die beste Technologie, das beste Geld, das die Welt jemals gesehen hat". Überzeugung und Enthusiasmus treiben ihn.

Faktoren, die man neben allen rechtlichen Strategieüberlegungen nicht vergessen sollte, Enthusiasmus war es auch, der Siegmunds ersten Etappensieg beim Vorhaben "Make Malta a Bitcoin Island" brachte. Gemeinsam mit seinem schwedischen Geschäftspartner Jonas Abrahamsson sammelte er per Crowdfunding 1123 Dollar, um den ersten Bitcoin-Automaten auf Malta zu finanzieren.

Das Gegenbeispiel

Das rief andere Unternehmer auf den Plan, der Rumäne Gabriel Cretu Torica war schneller – und lieferte unfreiwillig ein Lehrstück für Unternehmer: Erst informieren, dann investieren. Toricas Automat war schlecht programmiert, bescherte Nutzern unzählige Probleme und dem Besitzer Verluste. Laut Galea hatte Torica "keine Ahnung von Bitcoin", der Rumäne hat sich ins Ausland abgesetzt.

Mittlerweile gibt es schon Best- oder zumindest Better Practice-Beispiele: In der Lobby des Immobilienmaklers Zanzi Homes steht ein funktionierender Bitcoin-Automat. Das Kampagnen-finanzierte Gerät von Siegmunds und Abrahamssons Unternehmen "Ivaja" ist noch in der Setup-Phase. Und hier betritt wieder Schembri die Bühne: "Es ist wichtig, der Erste zu sein – aber es ist noch wichtiger, es von Anfang an richtig zu machen." (Martin Schauhuber aus Valletta, 23.9.2017)