Am 4. Oktober 2013 kippte ein Lastwagen acht Millionen Fünfräppler auf den Berner Bundesplatz – umgerechnet 400.000 Schweizer Franken. Für die Aktivisten der Schweizer Grundeinkommenskampagne war es nicht einfach, das Geld aufzutreiben. Nicht, weil sie es nicht hatten - auf ihrem Konto war ein Guthaben von 400.000 Franken vermerkt – sondern weil die Schweizerische Nationalbank nicht bereit war, ihnen acht Millionen Münzen dafür auszuhändigen. "Mit Geld spielt man nicht", war die Begründung der Währungshüter. Da die Postbank keine Einwände hatte, konnte die Aktion trotzdem stattfinden. Schließlich wurde das Geld mit Besen auf dem Platz verteilt, vorübergehend als Picknickdecke genutzt und später wieder eingesammelt. Verschwunden ist dabei nichts, die Schweizer haben Respekt vor Geld. Das zeigte sich auch bei einer Aktion, die kurz vor der Volksabstimmung zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, im Jahr 2016, stattfand: Eintausend Zehn-Franken-Scheine mit einem kleinen Aufkleber, der auf die Abstimmung hinwies, wurden am Zürcher Hauptbahnhof an Pendler verteilt. Viele lehnten dankend ab. Immerhin waren nach einer Stunde dann doch alle Flyer an die Frau/den Mann gebracht.

Ein Lastwagen kippt 2013 Fünf-Rappen-Stücke auf den Berner Bundesplatz.
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Der Historiker Yuval Noah Harari ("Homo Sapiens") bezeichnet Geld als den wichtigsten Mythos der Menschheit. Geld sei das universellste und effizienteste System gegenseitigen Vertrauens, das jemals erdacht wurde. Menschen, die nicht an den gleichen Gott glauben, oder nicht dem gleichen König gehorchen, seien mehr als bereit dazu, das gleiche Geld zu verwenden. Die Erfindung des Geldes sei die Erschaffung einer neuen intersubjektiven Realität gewesen, welche ausschließlich in der gemeinsamen Phantasie der Menschen existiere. Mit diesem Mythos zu "spielen" ist ein Tabu. Das mussten auch zwei Briten erfahren, welche die Auseinandersetzung mit dem Mythos Geld vor 23 Jahren auf die Spitze trieben.

Let’s Burn Money

Am 23. August 1994, kurz nach Mitternacht, klopften Bill Drummond und Jimmy Cauty an die Hotelzimmertür des Musikjournalisten Jim Reid und sagten: "Komm, wir machen es jetzt." Drummond und Cauty waren gemeinsam mit ihrem Roadie Alan "Gimpo" Goodrick und Jim Reid am Vortag mit zwanzig Bündeln 50-Pfund-Noten zu jeweils 50.000 Pfund aus London aufgebrochen, um das Geld auf der schottischen Insel Jura zu verbrennen. Gimpo filmte die Aktion auf seiner Hi8-Kamera. Die Inselpolizei bestätigte die Echtheit des Geldes anhand hunderter unversehrter Geldscheine, die durch den Kamin ins Meer geschleudert und von örtlichen Fischern am nächsten Morgen gefunden wurden. Die Million war alles, was noch von Drummond und Cautys Bandprojekt The KLF übrig war.

Code Breach

The KLF (aka The Timelords, The Justified Ancients of Mu Mu oder kurz The JAMs) waren die erfolgreichste Musikgruppe des Planeten. 1991 hat keine Band der Welt mehr Singles verkauft. Bei den Brit-Awards 1992 zur erfolgreichsten Band des Vereinigten Königreichs gewählt, schoss Drummond mit einem Maschinengewehr ins Publikum (mit Platzpatronen) und ein Sprecher verkündete: "The KLF have now left the music business". Nachdem sie bei der After-Show-Party ein totes Schaf mit der Notiz "I died for you – bon appetit" hinterlassen hatten, löschten sie ihren gesamten Backkatalog im Wert von mehreren Millionen. Dagegen erscheint das Verbrennen der letzten Million Pfund eigentlich harmlos.

Gebt es doch lieber den Obdachlosen!

Warum sie das Geld verbrannten, konnten Drummond und Cauty nie zufriedenstellend beantworten. Aber sie dachten niemals, dass es falsch gewesen ist. In der irischen "Late Late Show mit Gay Byrne" stellten sie sich 1995 den Kommentaren des Publikums – die Reaktionen waren Unverständnis und Empörung. Hätten sie das Geld nicht Obdachlosen spenden können? Als während eines Gerichtsverfahrens an die Öffentlichkeit kam, dass Elton John es schaffte, 40 Millionen Pfund in 20 Monaten auszugeben, davon 293.000 Pfund für Blumen, waren die Reaktionen anders. Es gab Kopfschütteln darüber, aber niemand fühlte sich persönlich angegriffen. Es war schließlich sein Geld und die Extravaganzen waren schließlich dafür verantwortlich, dass er überhaupt soviel Geld hatte. Immerhin hat er einige Blumenhändler glücklich gemacht. Schnell formte sich ein breiter Konsens darüber, warum Drummond und Cauty das Geld verbrannten: Sie seien einfach zwei "attention-seeking arseholes".

Der bei der Aktion anwesende Journalist Jim Reid hatte im Observer vorgerechnet was man alles mit der Million anstellen hätte können: "Ruanda – Ausrüstung, um 810.810 Menschen zu ernähren" und "Obdachlose – Bed-and-Breakfast Unterkünfte für 68 Familien für ein Jahr in London, oder für 106 Familien außerhalb Londons".

Tatsächlich hatten Drummond und Cauty mit ihrer Aktion jedem ihrer Landsleute ein Geschenk gemacht. Statt sich darüber aufzuregen, sollten die Leute dankbar sein! Warum? Die Mengentheorie des Geldes stellt fest: "Das Verbrennen von Geld vermindert den Reichtum des Besitzers. Weil das Geldangebot in der Volkswirtschaft dabei sinkt, erhöht das Verbrennen von Geld indes den Reichtum eines jeden anderen Besitzers von Geld".

1995 waren Drummond und Cauty des Erklärens überdrüssig. Sie mieteten einen Nissan Bluebird und schrieben mit einem goldenen Stift quer über das Auto einen Vertrag, der es ihnen verbot, 23 Jahre lang über das Geldverbrennen zu sprechen – rückwirkend mit dem 23. August 1994. Das Auto stießen sie über die schottischen Klippen in den Atlantik.

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Handelte es sich um einen Publicity-Stunt zweier aufmerksamkeitsgeiler Mistkerle? War es ein magischer Akt, wie der britische Comicautor Alan Moore ("Watchmen", "V for Vendetta") meint? Und falls letzteres, zu welchem Zweck? Oder sind die beiden schlicht und ergreifend verrückt? (Christian Tod, 25.9.2017)